AUDIOFEATURE

DER PODCAST FÜR DIE PREMIERENVORBEREITUNG

Gleich vorweg: Die Komplexität einer abendfüllenden Oper passt natürlich nicht in ein 15-minütiges Audiofeature. Aber die Lust darauf, den Abend in der Oper zu verbringen vielleicht schon. Der Musikjournalist Holger Noltze, Professor für Musik und Medien an der TU Dortmund, kreiert eine maßgeschneiderte Audioreihe zu den diesjährigen Premieren. Immer ab dem jeweiligen Premierentag ist das Feature online abzurufen. Dort wird es neben den Stückbasics – Handlung, Rezeption, Komposition und Libretto – auch um die Münchner Besonderheiten der Inszenierung gehen. Neben Stimmen aus der Produktion wird vor allem eine Akteurin zu hören sein: Die Musik. Und zwar nicht nur im Hintergrund oder als Nebenbei, sondern als das, was alles zusammenhält. Die Grenzen werden fließend: Information, starke Stimmen und Audiokunst.

Pelléas et Melisande

Vier Generationen, vom greisen König bis zum kleinen Jungen, leben abgeschlossen von der Welt in dunklen Mauern zusammen. Was geschieht, wenn in diesem Haus voll Sprachlosigkeit und Konventionen eine neue Frau einzieht: die junge, schöne, rätselhafte Mélisande, und sich um sie herum alles neu sortiert?

Claude Debussy fand in dem gleichnamigen symbolistischen Schauspiel des belgischen Dichters Maurice Maeterlinck sein Ideal eines Opernstoffes verwirklicht. Seine einzige Oper Pelléas et Mélisande aus dem Jahr 1902 ist eine Tragödie der leisen Töne, voller Andeutungen und Ahnungen und schillernder Klangfarben. Regisseurin Jetske Mijnssen sucht und findet die Menschen hinter den Symbolen.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Betreuung: Olaf Roth

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Le Grand Macabre

Ein Komet rast auf die Erde zu. Der selbsternannte Prophet Nekrotzar verkündet den baldigen Weltuntergang. Die Menschheit fällt zurück auf ihre „basic instincts“: Es wird viel getrunken und reichlich Sex gehabt in György Ligetis einziger Oper Le Grand Macabre. Ein apokalyptisches Welttheater, gewaschen mit allen Wassern musikalischen Raffinements, rasend virtuos, grell und grotesk wie ein Wimmelbild von Breughel oder Bosch. Eine Weltuntergangsoper aus dem Jahr 1978, bei der am Ende noch der Weltuntergang ausfällt. War alles nur ein Albtraum? – Kent Nagano dirigiert die Münchener Erstaufführung eines der großen Werke des Musiktheaters des 20. Jahrhunderts.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Betreuung: Olaf Roth

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Tosca

Giacomo Puccinis fünfte Oper Tosca ist ein hochprozentiger Cocktail aus Liebe, Verrat, Kunst und Politik. Tosca, die gefeierte Sängerin, muss der Folter ihres Geliebten zuhören, der Polizeichef Scarpia will Sex und findet den Tod. Ein schnelles, hartes Stück mit erregend wirkungsvoller Musik: Puccini lieferte dem gerade ein paar Tage alten 20. Jahrhundert die ersten Opern-Hits. Der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó erzählt diesen Thriller vor dem Hintergrund der 1970er Jahre in Italien, als der linke Filmemacher Pier Paolo Pasolini das herrschende System mit Filmen provozierte, die Faschismus und Gewalt thematisierten. Auch Pasolini hatte seine Tosca, sie verkörperte eben diese Rolle wie keine andere: Maria Callas.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher:innen: Cathrin Störmer, Andrea Battistoni, Kornél Mundruczó, Eleonora Buratto, Charles Castronovo
Schnitt: Robert Rotzinger
Betreuung: Olaf Roth
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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Lucrezia/Der Mond

Was haben Ottorino Respighis letzte Oper Lucrezia und Carl Orffs Märchen Der Mond miteinander zu tun? – Zweimal geht es um Raub: Lucrezia wird vergewaltigt, sie tötet sich, weil sie danach nicht weiterleben will. Bei Orff stehlen vier Burschen den Mond – weil sie es können. Beide Stücke wurden Ende der 1930er Jahre komponiert, im Italien Mussolinis und im Hitlerreich. Die neue Produktion der Bayerischen Staatsoper wagt einen ungewöhnlichen Doppelabend, und die ukrainische Regisseurin Tamara Trunova sieht die zwei Werke vor dem aktuellen Hintergrund des Krieges. Kein Märchen: „Wir haben nicht den Auftrag, Geschichten zu erzählen, wir sind keine Bücher. Und wir haben nicht den Auftrag, Bilder zu zeigen, wir sind kein Museum."

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Die Passagierin

Lisa verliert die Fassung: Ist die Frau, die ihr auf der Passage nach Brasilien begegnet, eben jene Marta, Gefangene im Lager Auschwitz, als Lisa dort SS-Aufseherin war? Ein Vierteljahrhundert ist das her, doch die Vergangenheit holt Lisa ein. – Mieczysław Weinberg, der als Jude nach dem deutschen Überfall auf Polen in die Sowjetunion fliehen musste, schuf aus dem Stoff der polnischen Widerstandskämpferin und KZ-Überlebenden Zofia Posmysz 1968 Die Passagierin. Kann man das Grauen von Auschwitz als Oper zeigen? Die Neuproduktion der erst spät entdeckten Passagierin an der Bayerischen Staatsoper stellt sich aktuellen und drängenden Fragen über unsere Gedenk-Kultur: Wie lässt sich das Ungeheuerliche erinnern, wenn die Zeitzeugen nicht mehr da sind?

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Pique Dame

Hermann ist ein hoffnungsloser Fall, lost. Er läuft durch die Welt und träumt von Reichtum und der ganz großen Liebe. Diese Welt ist in der neuen Pique Dame der Bayerischen Staatsoper aber nicht das Sankt Petersburg der Zarenzeit, das Tschaikowsky 1890 aus Alexander Puschkins Novelle musikalisch wiederaufleben ließ. In der Inszenierung des australischen Regisseurs Benedict Andrews sehen wir Hermann in Räumen, die eher an den amerikanischen Film Noir erinnern. Triste Orte. Schauplätze eines Psychokrimis um das ominöse Geheimnis der drei Karten, für das eine alte Gräfin sterben muss, und eine Liebe tödlich endet. Lisa und Herrmann: Hatten sie eine Chance?

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Die Fledermaus

Am Ende muss ein Ehemann seine Gattin um Verzeihung bitten – aber ganz anders als in Wolfgang Amadeus Mozarts „Figaro“, und auch das Finale im fidelen Gefängnis hat wenig zu tun mit Ludwig van Beethovens Befreiungsoper: Johann Strauß‘ Die Fledermaus zeigt eine champagnergetriebene Gesellschaft, der die Stunde geschlagen hat. Aber man amüsiert sich prächtig. Barrie Kosky, Regisseur der neuen Fledermaus an der Bayerischen Staatsoper, liebt den sarkastischen Charme Wiener Art, und inszeniert eine doppelbödige Screwball-Farce, in der nicht einmal den Räumen zu trauen ist. Ist es ein Traum? Ist es ein Alptraum? – Es ist jedenfalls lustig, und ziemlich ernst.

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Le nozze di Figaro

Susanna und Figaro wollen heiraten. Graf Almaviva will Sex mit Susanna und beruft sich auf ein „Recht“ der ersten (Hochzeits-)Nacht. Die Gräfin trauert vergangenem Glück nach. Der junge, ziemlich genderfluide Cherubino hat Lust auf alles, und alles drängt sich zusammen an diesem „tollen Tag“. In der ersten ihrer drei epochalen Opernkollaborationen zeigen Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo Da Ponte, was Menschen mit Menschen machen, ein lustvoll aberwitziges Spiel aus Intrigen und Gegenintrigen und Gegen-Gegenintrigen. Regisseur Evgeny Titov interessiert sich vor allem für die Machtfrage: „Wie weit geht einer, wenn man ihn nicht stoppt?“ Der neue Figaro der Bayerischen Staatsoper ist eine Bühne für ein junges prominentes Mozartensemble um den italienischen Dirigenten und Alte-Musik-Spezialisten Stefano Montanari.

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Semele

Semele soll Athamas heiraten. Alles ist vorbereitet für die Hochzeit. Die Braut aber spielt nicht mit, Semele will etwas anderes. Ihr Geliebter ist immerhin der Gott Jupiter selbst. Als dessen Gattin Juno in der jungen Frau den Wunsch nach Unsterblichkeit weckt, als sie dem Geliebten in seiner göttlichen Gestalt begegnen will, ist das ihr Untergang: Im Glanz der Erscheinung Jupiters muss sie verbrennen. – Claus Guth liest Georg Friedrich Händels Opern-Oratorium als den Versuch einer Befreiung aus gesellschaftlichen Konventionen. Am Ende ist Semele psychisch durchgeglüht, „es wird halt anders geheiratet und die Story geht weiter…“

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Hamlet

„… or not to be“: Nach nicht einmal sechs Minuten fallen die berühmten Hamlet-Worte. Dem australischen Komponisten Brett Dean glückte 2017, William Shakespeares monumentales Stück Hamlet als vielschichtige, vielstimmige Oper zu erzählen, ein Erfolg beim Publikum wie bei der Kritik. Die Bayerische Staatsoper legt die Uraufführungs-Produktion aus Glyndebourne, die bereits bei der Metropolitan Opera in New York zu erleben war, neu auf, ein musikdramatisches Welttheater um Leben und Tod, Sein und Nichtsein, Liebe, Lüge und Heuchelei.

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Aida

Nicht eingemauert in einem unterirdischen Tempelgewölbe, sondern vor einem Berg aus Asche sterben Aida und Radamès in Damiano Michielettos Neuproduktion von Giuseppe Verdis gern monumental verstandener Ägyptenoper. Wie der Krieg auf die Menschen und ihre Suche nach Glück wirkt, das hat sich seit der Zeit der Pharaonen bis heute kaum verändert. So zeigt Aida eine scharfe Gesellschaftsanalyse über das tödliche Ineinander des Privaten und des Politischen. Und die berühmten Triumphmarschtrompeten klingen gar nicht mehr so triumphal. – Holger Noltze über Verdis langen Weg nach Ägypten und die neue Aida an der Bayerischen Staatsoper.

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Il ritorno / Das Jahr des magischen Denkens

Der 15-minütige Podcast zur Vorbereitung auf die Vorstellung: Zwanzig Jahre war Ulisse fort, im Trojanischen Krieg und auf anderen Irrfahrten. Zuhause in Ithaka wehrt sich seine Frau Penelope gegen mehrere penetrante Verehrer, aber auch gegen die Stimmen der Wohlmeinenden, sich doch neu zu verlieben. Dann kehrt der Mann zurück, auf wunderbare Weise. – Der Regisseur Christopher Rüping erzählt Monteverdis späte Oper Il ritorno d‘Ulisse in patria als großes Denkbild über das Festhalten (und Loslassen), im Dialog mit Joan Didions Buch Das Jahr des magischen Denkens, dem Bericht, was der amerikanischen Schriftstellerin geschah, als ihr Mann plötzlich starb: den Einbruch magischen Denkens in ein modern aufgeklärtes Hirn. Ist vielleicht die Oper, die so viel von Trauer und Verlust und Sehnsucht handelt, nichts anderes als magisches Denken? Holger Noltze über Il ritorno / Das Jahr des magischen Denkens, die zweite Neuproduktion der Bayerischen Staatsoper beim Ja, Mai!-Festival.

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Hanjo

Der 12-minütige Podcast zur Vorbereitung auf die Vorstellung: Die junge Frau mit dem Fächer kommt Tag für Tag zum Bahnhof, um dort auf einen Mann zu warten: Ein „Fall“, über den sogar in der Zeitung zu lesen ist. Der japanische Komponist Toshio Hosokawa fand den Stoff zu seiner zweiten Oper Hanjo in einem Stück des Dichters Yukio Mishima aus den 1950er Jahren, das seinerseits auf eine Vorlage aus dem 14. Jahrhundert zurückgeht. Hanako, das Mädchen das wartet, im Hause einer Malerin, die sie liebt. Als Yoshio, der Mann, eines Tages erscheint, kommt es zur Entscheidung. – Ein dichtes Kammerspiel, dazu raffiniert fragile Klangtexturen, zum Auftakt des neuen Jahrgangs des Ja, Mai-Festivals der Bayerischen Staatsoper.

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Krieg und Frieden

Sergej Prokofjews monumentales Projekt einer Oper nach Lew Tolstois Roman Krieg und Frieden, mit allein 70 Solist:innen, mit Ball- und Schlachtenszenen, entstand 1941 unter dem Eindruck des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. Die historischen Ereignisse des Jahres 1812, als Napoleons Angriff mit einer vernichtenden Niederlage der Invasoren endete, , erschienen dem Komponisten als bestürzende Projektion der Gegenwart des Zweiten Weltkriegs. Dmitri Tcherniakov, der Regisseur der Münchener Erstaufführung von Krieg und Frieden, lässt Prokofjews Oper in einem höchst geschichtsträchtigen Raum spielen, und natürlich ist der aktuelle Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine dabei nicht wegzudenken. Ein Audiofeature über die Frage, was Krieg und Frieden im Jahr 2023 bedeutet.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher:innen: Cathrin Störmer, Vladimir Jurowski, Dmitri Tcherniakov
Schnitt: Thomas Rott
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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DIDO AND AENEAS ... ERWARTUNG

An einem Waldrand bewohnt eine Frau namens Dido ein Haus, das ihr nicht gehört. Sie ist eine Geflüchtete. Man weiß nichts über sie, außer dass sie von weit her kommt. Ihr Verhalten, ihre immer wiederkehrenden Verweise auf sehr alte Geschichten, ihre Ängste lassen auf eine psychische Zerbrechlichkeit schließen. Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Phantasie vermischen sich so sehr bei ihr, dass man nicht weiß, ob die mysteriösen Gestalten und bösen Geister, die zeitweise auftauchen, den Wald oder ihren Geist bewohnen. Dido empfindet eine verrückte, ausschließliche Liebe zu einem Mann, der ebenfalls ein Geflüchteter ist: Aeneas. – Der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski verbindet Henry
Purcells Kurzoper Dido and Aeneas (1689) über das Sterbenwollen der verlassenen Dido mit Arnold Schönbergs explosivem Monodram Erwartung (1909) zu einem Opern-Psychodrama über zweihundert Jahre Musikgeschichte hinweg.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher:innen: Cathrin Störmer, Krzysztof Warlikowski, Ausrine Stundyte, Andrew Manze
Schnitt: Sven Eckhoff
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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LOHENGRIN

Es sollen uns die Sinne vergehen: Weltentrückt, in himmlischen Höhen, beginnt Richard Wagners Oper Lohengrin. Ein unbekannter Ritter erscheint, um einer bedrängten Unschuld beizustehen. „Elsa! Ich liebe dich,“ singt er. Die junge Frau ergibt sich dem, der ihr als Held und Retter vorkommt. Doch dann bricht sie das Verbot, ihn nach seinem Namen und seiner Herkunft zu fragen, und alles Glück ist dahin. Eine verpasste Begegnung des Irdischen und des Wunderbaren. So ist das letzte Wort ein kollektives „Weh!“. Der neue Lohengrin in einer Inszenierung von Kornél Mundruczó an der Bayerischen Staatsoper zeigt unsere Sehnsucht nach Erlösung als großen Versuchsaufbau.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher:innen: Kornél Mundruczó, Monika Pormale, Johanni van Oostrum, Cathrin Störmer, François-Xavier Roth
Schnitt: Thomas Rott
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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COSÌ FAN TUTTE

Die Revolution des Begehrens: „Die Schule der Liebenden“, so der Untertitel von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Così fan tutte, fängt lustig an, als kreuzweise Treueprobe. Am Ende aber herrscht Verstörung, denn Dorabella und Fiordiligi, die Verlobten der beiden Jungens Guilelmo und Ferrando, erweisen sich als sehr wohl verführbar, eine früher, eine später. Was aber heißt das für die Idee von der wahren Liebe? Und was für die heile Welt unserer Gesellschaft, die auf Heirat, Kinder, Festanstellung … baut? Behält Don Alfonso Recht, der lebenserfahrene „Philosoph“ und Regisseur des abgründigen Spiels, der zu wissen meint: Così fan tutte, so machen es alle (Frauen) –? Oder gibt es, nachdem hier zwei Paare durch das Feuer des Zweifels und der Verzweiflung gegangen sind, noch mehr zu lernen?

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher:innen: Magda Willi, Benedict Andrews, Vladimir Jurowski, Cathrin Störmer
Schnitt: Thomas Rott
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth 

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CAPRICCIO

Ob in einer Oper der Text oder die Musik wichtiger sei: Darüber hatte schon der alte Salieri eine Oper-über-Oper komponiert. Der späte Richard Strauss nimmt sich das Thema in seinem letzten Bühnenwerk noch einmal vor. Ein Dichter und ein Komponist werben um die Liebe einer schönen und kunstsinnigen Gräfin: Wen wird sie erhören? – Strauss hat in sein „Konversationsstück für Musik“ lauter letzte Worte zur Kunst komponiert, voller reifer Meisterschaft und mit dem Rücken zur eigenen Gegenwart, denn 1942 hatte das Publikum eigentlich andere Sorgen. Capriccio, uraufgeführt am Münchener Nationaltheater, wurde ein Erfolg, trotzdem oder gerade drum? Das Nationaltheater wurde bald zerbombt, Capriccio blieb. Die Bayerische Staatsoper zeigt es neu.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecherin: Diana Damrau, Cathrin Störmer
Schnitt: Sven Eckhoff und Thomas Rott
Betreuung: Anna Blei
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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DIE TEUFEL VON LOUDUN

Schlaflos liegt die Priorin Jeanne in ihrer Zelle, bedrängt von Visionen: Bis zum Wahnsinn begehrt sie den Pater Grandier, den attraktiven, charismatischen Prediger der Kleinstadt Loudun. Weil er für sie unerreichbar ist, wird sie ihn denunzieren, die Nonnen im Kloster zur Wollust behext zu haben. Der polnische Komponist Krzysztof Penderecki schuf 1969 aus Aldous Huxleys Skandalroman The Devils of Loudun seine erste, kühnste Oper: Die Teufel von Loudun. Radikales Musiktheater, maßlos in seinen Mitteln, erschütternd in der Darstellung dessen, was Menschen Menschen antun. Am Ende steht der Scheiterhaufen.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher: Vladimir Jurowski, Simon Stone
Sprecherin: Cathrin Störmer
Schnitt: Rheinklang Agentur
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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Thomas

Viel wird gestorben in der Oper; fast immer, wenn es nicht gut ausgeht. Durch Gift und Dolch, an Lungenkrankheit oder an gebrochenem Herzen, aus Liebe oder aus Versehen. Hier ist das anders: Ein Mensch im Sterben, so, wie heute meistens gestorben wird, in einem Krankenhausbett. Und noch etwas ist anders: Sonst kommt der Tod am Ende eines Opernabends, hier ereignet er sich zu Beginn. Hier kommt ein atmender Organismus zu seinem Ende. Thomas - vom Komponisten Georg Friedrich Haas und Librettisten Händl Klaus - ist ein Musiktheater vom Sterben des Menschen Matthias und, mehr noch, der Trauer seines Partners Thomas. Fein oszilliert, was im Sterbezimmer des Matthias zu hören und zu sehen ist, zwischen der sogenannten realen Welt und ihren Besorgungen und Beileids-Banalitäten und der Durchlässigkeit für das extrem Übernatürliche, als das uns das Sterben in einer Welt vorkommt, die den Tod abgeschafft hat. Und es geschieht am Ende das Ungeheuerliche. Allein mit dem Toten, erscheint es Thomas, sein geliebter Matthias beginne wieder zu atmen, so wie es Isolde erscheint, wenn sie Brustkorb des toten Tristan sich wieder bewegen zu sehen meint.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher: Händl Klaus
Sprecherin: Cathrin Störmer, Anna-Sophie Mahler
Schnitt: Sven Eckhoff
Betreuung: Anna Blei
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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Bluthaus

Nadja möchte ihr Haus abstoßen. Das hat gewichtige Gründe: Es ist ihr Elternhaus. Ein Bluthaus. Nadjas Eltern sind tot, das Blut der Eltern wird während der ganzen Oper von ihr von den Fliesen geschrubbt. Aber warum sind Nadjas Eltern tot? Die Musik vom Komponisten Georg Friedrich Haas lässt es erahnen, es ist etwas Grauenhaftes passiert. Nadja wurde von ihrem Vater sexuell missbraucht. Ob sie oder ihre Mutter den Vater erstochen hat, bleibt ungewiss. Dass er ermordet wurde, ist klar. Das Unheil sitzt in den Wänden, und wenn sie noch so weiß gestrichen sind. Der Makler Axel Freund ist beauftragt das Haus zu veräußern, die Menschen, die das Haus besichtigen scheinen wie ein allegorischer Zusammenschnitt der österreichischen Gesellschaft. Böse Nachbarn stoßen hinzu und verraten, dass es sich bei diesem Haus um ein Bluthaus handle, weil es besudelt ist mit dem Blut der Eltern, die als Untote immer noch hier spuken. Am Ende sind die Interessenten geflohen, auch für das persische Ehepaar, das zu spät kam, als hier alles schon in Entsetzen und Auflösung war, dass sich nicht so leicht schrecken lässt, weil es selbst einem Schrecken entflohen ist, auch für sie wird das Bluthaus keine Zukunft sein. 

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher: Claus Guth, Händl Klaus
Sprecherin: Cathrin Störmer
Schnitt: Sven Eckhoff
Betreuung: Anna Blei
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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Les Troyens

Hier sind zwei Welten festgehalten: eine im Krieg, eine im Frieden - in der riesenhaften französischen Grand Opéra Les Troyens von Hector Berlioz. Es ist ein Wahnsinn der Extreme. Wohl kein Komponist tauchte je tiefer in die Stoffe, die ihn zu Musik bewegten, und bei Berlioz sind es immer die größten: FaustRomeo und Julia, Hamlet, darunter macht er es nicht – doch der Untergang Trojas, des trojanischen Feldherren Aeneas‘ Flucht nach Karthago, wo er die Königin Dido liebt und sie verlässt, weil er nach Italien weitermuss, seinem Auftrag folgen, ein Held sein, Rom, die Stadt und ein Weltreich zu gründen – diese Geschichte durchdrang den romantischen Extremisten Hector Berlioz ein Künstlerleben lang.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher: Daniele Rustioni
Sprecherin: Cathrin Störmer
Schnitt: Jan Beckhaus
Betreuung: Anna Blei
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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L'infedeltà delusa

Männer und Frauen: eine beliebig verwirrende Geschichte, schon in Joseph Haydns 18. Jahrhundert, und heute erst recht. In München haben gottlob einstweilen die jungen Frauen in L’Infedeltà delusa die Nase vorn. Die Geschichte ist ein typischer Opera buffa-Stoff: Nannis Vater Felippo hat einen reichen Mann für seine Tochter Sandrina erkoren. Sinn und Zweck der Ehe ist alles, nur eben nicht ihre Selbstbestimmung oder gar Selbstverwirklichung. Aber hier zum Glück mitnichten! Sandrina hat sich nämlich bereits verliebt. Und zwar in eine junge Frau. Denn es wird in der Münchner Inszenierung Zeit für soziale Grenzüberschreitungen. Regisseurin Marie-Eve Signeyrole knöpft sich die patriarchale Grundstruktur der Oper vor und besetzte Nanni, das Objekt der Begierde Sandrinas, in eine Frau um. Aus einem Bass wird ein Mezzosopran, die Liebe der Sandrina damit eine lesbische. So wird aus der Coming of Age- obendrein eine Coming Out-Tragödie in einem Mädcheninternet der 1950er. Es ist ein Blick in das männliche und heteronormativ dominierte Korsett unserer Vergangenheit und mitunter Gegenwart. Happy End: Leider Fehlanzeige.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecherin: Marie-Eve Signeyrole
Sprecherin: Cathrin Störmer
Schnitt: Sven Eckhoff
Betreuung: Anna Bleib
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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Peter Grimes

Die Masse gegen den Einzelnen! Peter Grimes, ein im britischen Küstenort Aldeburgh festverwurzelter Fischer, wird verdächtigt, für den Tod seines Fischerlehrlings verantwortlich zu sein. Der richterliche Freispruch interessiert die Dorfgemeinschaft herzlich wenig, für sie stand bereits vor Prozessbeginn fest, dass der sonderbare Grimes schuldig ist. Und so entlädt sich der Hass. Rumor has it! Peter Grimes, die erste Oper von Benjamin Britten, 1945 uraufgeführt, seziert die Mechanismen, die greifen, wenn Menschen sich zu einem Kollektiv gegen ein einzelnes Individuum zusammenschließen. Es ist ein feinfühliger, mitunter verstörender Blick auf die Natur des Menschen – so unkontrollierbar und erbarmungslos wie die See selbst.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher: Stefan Herheim
Sprecherin: Cathrin Störmer
Schnitt: Thomas Rott, Sven Eckhoff
Betreuung: Anna Bleib
Dramaturgie und Projektleitung: Christopher Warmuth

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Das schlaue Füchslein

Was ist der Mensch doch für ein seltsames Tier? Der passionierte Waldgänger, Vogelstimmensammler und Komponist Leoš Janáček versammelt schwermütige Hunde, kreischende Hühner, stotternde Froschkinder und im Zentrum von all dem eine schlauköpfige Füchsin zu einem der witzigsten und weisesten Stücke über das Menschsein und den Kreislauf allen Lebens. Sein Schlaues Füchslein von 1924 tönt traumhaft, fantastisch, düster bedrohlich und hell leuchtend. Wie Regisseur Barrie Kosky sich der Aufgabe stellte, all das ohne Waldkulissen und Tierkitsch zu erzählen, davon ist im neuen Audiofeature der Bayerischen Staatsoper zu hören.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher: Barrie Kosky
Sprecherin: Mirga Gražinytė-Tyla
Sprecherin: Cathrin Störmer
Dramaturgie: Christopher Warmuth
Schnitt: Thomas Rott
Betreuung: Anna Bleib
Projektleitung: Kathrin Zeitler

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GIUDITTA

Diese Liebesgeschichte ist ein Zeitpanorama von 1920-35! Wie klingt eine Liebe? Wie eine ganze Zeit? GIUDITTA war ein sensationeller Erfolg, mehr als 120 Radioanstalten sendeten 1934 die Uraufführung der Spieloper von Franz Lehár in die Welt hinaus. Ein italienischer Hauptmann, dem das Leben betont lebenswert erscheint, verliebt sich, verlässt die Geliebte, weil er in ein Militärkommando nach Libyen zieht. Die Liebe zerbricht an dieser Entscheidung. Für immer. Die Münchner Neuinszenierung verbindet und verblendet dieses Werk mit anderen künstlerischen Reaktionen auf die damalige Zeit von Kollegen Lehárs, nicht als Demontage. Nein, Montage! Christoph Marthalers Radikalität bedeutet radikale Poetisierung. So landet das Stück bei uns im Heute. Was das alles bedeuten soll und warum Ödön von Horváth eine so bedeutende Rolle spielt, das alles ist im Audiofeature der Bayerischen Staatsoper nachzuhören.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher: Malte Ubenauf, Thomas Anzenhofer
Dramaturgie: Christopher Warmuth
Schnitt: Sven Eckhoff
Projektleitung: Kathrin Zeitler

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DIE NASE

Nase weg! Was passiert, wenn ein 22-jähriger junger Wilder eine Oper komponiert auf der Grundlage einer absurden Geschichte: Ein Mensch verliert seine Nase? Dmitri Schostakowtisch rüttelt 1928 an den Konventionen der Operngeschichte, komponiert wild mit Faggotfürzen, einer singenden Säge, einem Personalbedarf auf der Bühne, der seinesgleichen sucht. Wie das klingt, was das alles soll und wieso in der Münchner Neuinszenierung von Kirill Serebrennikow zeitgleich zum Nasenverlust hingegen unzählige Polizist:innen mit Nasen im Gesicht übersät sind, ist im Audiofeature der Bayerischen Staatsoper nachzuhören.

Autor und Sprecher: Holger Noltze
Sprecher: Kirill Serebrennikow
Sprecherin: Cathrin Störmer
Dramaturgie: Christopher Warmuth
Schnitt: Thomas Rott
Projektleitung: Kathrin Zeitler 

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