„Elektra ist meine Identifikationsrolle“
Vollblutkünstlerin durch und durch: Gabriele Schnaut feiert dieses Jahr ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum. Derzeit ist sie am Haus als Klytämnestra in der Wiederaufnahme von Richard Strauss Elektra zu erleben. Eine Produktion, die sie übrigens schon sehr lange begleitet: In der Premiere von Herbert Wernickes ikonischer Inszenierung von 1997 und in vielen folgenden Vorstellungen sang sie die Hauptpartie. Gabriele Schnaut hat Strauss' packendes Opus im Blut! Wir freuen uns, dass sie sich Zeit für uns genommen hat: In diesem Beitrag beantwortet sie uns einige Fragen rund um das Leben auf und neben der Bühne. Außerdem wartet hier eine Kostprobe ihrer Interpretation der Elektra auf Sie - aus dem originalen Premierenmitschnitt von 1997!
Oper: Frau Schnaut, zehn Minuten vor einem Auftritt - was tun Sie da?
GS: Da bin ich in der Regel schon auf der Bühne. Ist mein Auftritt am Anfang des Stückes, überprüfe ich die Requisiten. Bin ich erst mittendrin dran, gehe ich schon früh auf die Seiten - oder Hinterbühne, um sicherzugehen, dass alles "passt", und ich nicht zu spät bin - eine Horrorvorstellung.
In 40 Jahren Bühnenerfahrung erlebt man sicherlich so einiges: Woran erinnern Sie sich besonders gerne?
GS: An meine erste Zeit in Bayreuth während des "Chereau- Rings". Wir erlebten Operngeschichte hautnah und ich durfte als Anfängerin mit dabei sein.
Gibt es etwas, was Sie am liebsten verdrängen würden?
GS: Verdrängen hilft nicht. Unangenehme Erfahrungen sollte man als Lernprozess annehmen, begreifen und verarbeiten.
In welchem Moment mussten Sie am meisten improvisieren?
GS: Royal Opera House Covent Garden, London: Ich gab mein Debut als Ortrud. Während des Dialoges zwischen Telramund und Ortrud im 2. Akt, schwebte langsam ein rosa Luftballon aus dem Bühnenhimmel, um dann zwischen meinem Partner und mir auf dem Bühnenboden sanft zu landen. Zunächst hielt ich dies für einen Auswuchs britischen Humors - mitnichten! Es war das Überbleibsel einer Abschiedsparty vom Vortag, das sich da - etwas verspätet - aus dem Schnürboden löste. Der ganze Dialog Ortrud -Telramund lief also über dieses Relikt. Da entwickelt man schon Improvisationstalent, um das Teil von der Bühne zu entfernen. Hartmut Welker gelang dies, ohne dass der Ballon platzte, was sicherlich das Gekicher im Publikum noch verstärkt hätte. Cheryl Studer, als Elsa auf der Seitenbühne vor Ihrem Auftritt, betete schon da zum Himmel!
Waren Sie während Ihrer Laufbahn jemals kurz davor, alles hinzuschmeißen?
GS: Ja. Als ich mit Anfang 50 meine Gesangstechnik überarbeitete und erst mal gar nichts mehr so richtig funktionierte. Aber letztendlich auch dies: ein wichtiger Lernprozess.
Gab es in der Arbeit mit Herbert Wernicke etwas, das die Arbeit besonders auszeichnete?
GS: Die gleiche Wellenlänge und das gegenseitige Vertrauen.
Elektra vs. Klytämnestra: Sie haben beide Rollen bereits verkörpert. Inwiefern können Sie sich mit beiden Charakteren identifizieren?
GS: Es ist meine Überzeugung, dass jede Sängerin und jeder Sänger eine "Identifikationsrolle" hat. Das war bei mir definitiv die "Elektra". Der Schritt von der Tochter zur Mutter ist mit zunehmendem Alter und veränderter körperlicher Disposition folgerichtig.
Welchen Beruf würden Sie ausüben, wenn Sie nicht Sängerin geworden wären?
GS: Wahrscheinlich hätte ich Germanistik und Kunstgeschichte studiert. Auf Wunsch meiner Familie hatte ich mich für Medizin beworben, kam aber nicht durch den Numerus Clausus - Gott sei Dank! Als dann ein Studienplatz für mich frei wurde, hatte ich schon mein erstes Engagement. C´est la vie!
Spielen Sie eigentlich ein Instrument?
GS: Ich habe zuerst Violine als Hauptfach studiert, Gesang war das "instrumentale Nebenfach", Klavier Pflichtfach (da hätte ich allerdings ein bisschen mehr üben sollen!).
Welches ist das in Ihren Ohren schönste Geräusch?
GS: Wenn eine gute Flasche Wein entkorkt wird.
Ihr größtes Laster?
GS: Manchmal bin ich sehr faul. Diese Eigenschaft kann sich allerdings im Sängerberuf mitunter als stimmrettend erweisen.
Wenn es Zeitmaschinen gäbe, wohin würden Sie reisen?
GS: Ins England des frühen 19. Jahrhunderts, um all die Lords und Ladies der Regency- Periode auf ihren diversen Landsitzen zu besuchen (Jane Austen lässt grüßen!), wobei mir klar ist, dass dies sicherlich nach heutigem Maßstab keine besonders komfortable Reise sein würde.
Wenn Sie eine berühmte Person der Zeitgeschichte treffen könnten, wer wäre das und was würden Sie ihn oder sie fragen?
GS: Leo Slezak würde ich gerne getroffen haben, um gewisse gesangsspezifische Dinge zu erfahren und seinen Humor hautnah zu erleben. Anton Bustelli, um ihm beim Entwerfen und Fertigen seiner "Commedia dell´Arte"- Figuren in Nymphenburg über die Schulter zu schauen. Fragen kann man ihn nicht, erklären könnte er sicherlich auch nichts, denn das, was er in seiner Einmaligkeit schuf, ist unerklärbar.
Welche Aufnahme würden Sie mit auf eine einsame Insel nehmen?
GS: Sicherlich nicht nur etwas Klassisches.
Ihr Lieblingsplatz in München?
GS: Das Nationaltheater und der Platz davor.
Zehn Minuten nach einer Vorstellung - was machen Sie da?
GS: Abschminken.