Erfolgsstory U30: Unser strategischer Weg zum Publikum von morgen

Mit Abschluss der Intendanz von Nikolaus Bachler möchten wir auch eine Zwischenbilanz darüber ziehen, ob wir es geschafft haben, junge Erwachsene für unsere Kunst zu begeistern. Aus „JuPu“ wurde „U30“ – und mit dem Ergebnis können wir sehr zufrieden sein: Nie waren mehr junge Erwachsene in der Oper, gerade Geringverdienende profitieren von den vergünstigten Eintrittspreisen.

An den Theatern der Welt stellt man sich überall dieselbe Frage: Wie erreicht man das Publikum von morgen und kann es für Kunst und Kultur begeistern? Ein hoher Altersschnitt beim aktuellen, oft gut verdienenden Publikum zum einen, geringere Vorbildung und wenig Zeit für Kunst beim „Nachwuchs“ zum anderen treiben vielen Kulturverantwortlichen Schweißperlen auf die Stirn. 

Daher haben wir uns seit 2015 in einem umfassenden Forschungsprojekt mit der Thematik befasst, wie zusätzliche Publikumsschichten in die Oper gelockt und dort dauerhaft gebunden werden können. Bewusst verwenden wir dabei den Begriff „zusätzliches“ und nicht „neues“ Publikum. Denn wir sind sehr stolz auf unser treues bestehendes Publikum, mit dem wir ebenfalls in die Zukunft gehen möchten. Für die Legitimierung öffentlicher Gelder sollte es jedoch Ziel sein, möglichst alle Bevölkerungsschichten zu erreichen, die mit ihren Steuern unser Haus unterstützen, und nicht nur eine vermeintliche Elite.

In über zwanzig Projekt-, Bachelor-, Master- und Diplomarbeiten, in Metastudien, in Workshops sowie quantitativen und qualitativen Studien wurden sogenannte „Personas“, also Steckbriefe vom Publikum von morgen entwickelt (vom „Zugezogenen  Neumünchner“ bis hin zum „alternativen Kammerspiele-Fan“), es wurden unvorbereitete Erstbesuchende mittels Tiefeninterview zu ihren Besuchserlebnissen bei Elektra, La traviata und Rusalka befragt und schließlich mittels Konzepttest mit „U30“ in der Nachfolge des Programms „Junges Publikum (JuPu)“ ein zentrales Ansprache- und Vermittlungsprogramm entwickelt.

Mit U30 können seit der Einführung im Juli 2019 junge Erwachsene unter 30 Jahren für ausgewählte Vorstellungen Karten für 10 Euro erwerben. Die Kommunikations- und Vertriebskanäle von U30 (auf facebook und instagram, Kartenverkauf via „Kontingentverkauf“ digital per CTS Eventim) sind fast ausschließlich digital und spezifisch auf die junge Zielgruppe abgestimmt, die mit speziellen Vorbereitungsteasern vor einer gebuchten Vorstellung „abgeholt“ wird. Auch eine spezielle Kampagne wurde entwickelt, um zusätzliche junge Erwachsene auf das Programm aufmerksam zu machen:

U30-Kampagne: Kurze Spots mit den Solistinnen und Solisten des Opernstudios in der Hauptrolle


 

Zentrale Ergebnisse der U30-Studie (Analyse der U30-Nutzer 2019/20)

Wir haben die coronabedingte Unterbrechung zu einer Bewertung genutzt. Die Erfolge des Programms sind beeindruckend:


Gemeinsam mit dem Institut für Marktorientierte Unternehmensführung der LMU München haben wir U30 im letzten Jahr unter allen Nutzenden seit Einführung des Programms evaluiert. 684 Personen nahmen an der Befragung teil:

  • Eine große Mehrheit (73%) ist mit dem Programm zufrieden bis sehr zufrieden (18% teil/teils, 9% unzufrieden) und würde es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weiterempfehlen (NPS 63 bei 73% Promotoren und 10% Detraktoren).
  • Von allen Kartenkäufern seit Juli 2019 bis zum ersten Lockdown haben 62% zum ersten Mal die Bayerische Staatsoper besucht.
  • 77% der Studienteilnehmenden geben an, dass diese auch nach ihrem dreißigsten Geburtstag zum Vollpreis in die Staatsoper gehen möchten. Knapp 45% geben an, dass sie dies sogar sehr wahrscheinlich tun werden.
  • Die Mehrzahl (65%) hat das U30-Angebot in den letzten 12 Monaten ein bis drei Mal für sich selbst genutzt. Somit profitieren nicht wie bei „JuPu“ einige wenige Vielnutzer, sondern ein breiter Besucherkreis von den U30-Kontingenten.
  • Knapp die Hälfte der Studienteilnehmer verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als 1.000 Euro. Für den sogenannten Hochkulturbereich (in der Studie definiert als Freizeitaktivitäten wie Oper, Theater, klassisches Konzert, Ballett etc.) können über 70% der Befragten weniger als 50 Euro im Monat ausgeben. Das Programm erreicht somit also gerade diejenigen, die von dem geringen „Einstiegspreis“ profitieren.
  • Wie hoch ist nun das „Invest“ durch die gut 30.000 U30-Karten je Saison? Durch den nominal hohen Rabatt (10 Euro Kartenpreis statt Vollpreis) reduziert sich die rechnerisch erzielbare Idealeinnahme des Hauses nur um 2% – zum Vergleich beträgt der Einnahmeverlust durch den Preisrabatt im Abonnement immerhin 9,5% der Idealeinnahme. Die Studie zeigt: Je nach Alter des U30-Erstbesuchers kann sich das U30-Programm bereits im zweiten Jahr amortisieren.

Die Zwischenergebnisse sind vielversprechend, dennoch gibt es im Rahmen der Vermittlung noch viel zu tun. Gerade im Ü30- und U50-Segment besteht noch großes Potenzial, zusätzliches Publikum für Oper, Ballett und Konzert (zurück) zu gewinnen, indem man das Publikum in den jeweiligen Lebenswelten erreicht – wir sind bereit, auch diesen Weg konsequent zu gehen.


Von Matthias Schloderer