Keine Festanstellung für Mozart
Hundert Jahre dauerte es, bis François Cuvilliés (nach dem allerersten „kurfürstlichen Opernhaus“ bei der Salvatorkirche) dem Genre dann einen eigenen Ort schuf, das (Alte) Residenztheater, ein Traum von Rokoko und bis heute die Spielstätte für das besondere, intimere Format. In der Karnevalssaison 1781 erlebte das „Cuv“ seinen musikgeschichtlich vielleicht größten Moment, die Uraufführung des Idomeneo, „Dramma per musica“ eines 25-jährigen Salzburgers. Mozarts Geniestreich war sehr wohl ein Erfolg, doch da war die allergrößte Chance für den Opernstandort München bereits versäumt. Unter dem 30. September 1777 berichtet Wolfgang Amadé aus der bayerischen Residenz dem Vater nach Hause, er habe sich dem Kurfürsten persönlich „unterthänigst zu füssen“ gelegt und ihm seine Dienste angetragen. Darauf der: „‚ja, völlig weg von Salzburg?‘ – ‚völlig weg. ja Euer Churf. Durchlaucht.‘ – ‚ja mein liebes kind, es ist keine vacatur da. mir ist leid. wen nur eine vacatur da wäre.‘ – ‚Ich versichere Eur Durchl: ich würde München gewis Ehre Machen.‘ – ‚ja das nuzt alles nicht. es ist keine vacatur da.‘ Dieß sagte er gehend.“
Keine Festanstellung, nicht einmal für einen Mozart. Dafür wurde und blieb sorgfältige Mozart-Pflege ein Pfeiler des Münchener Opernrepertoires, nahezu durchgehend, besonders prominent in Bruno Walters Epoche 1912–1923 und darüber hinaus bis heute. Mozart blieb, auch wenn sich der Münchener Operngeschmack änderte, von der Vorherrschaft des italienischen Spielplans in der Zeit von König Max I. (1806–1825) zur Entdeckung einer deutschen Kunst unter Ludwig I. (1825–1848). Der entließ die Italiener und sorgte für den Umzug der Oper aus dem inzwischen zu engen Cuvilliés-Theater ins neue, weiträumigere Nationaltheater.
Ein virtueller Rungang durch das Nationaltheater
Karl von Fischers jetzt zeitgemäßer Klassizismus war inspiriert vom Pariser Odéon, mit Blick auf ein breiteres städtisches Publikum. Nach einem kleineren Brand und allerhand finanziellen Schwierigkeiten konnte es 1818 eröffnen. Doch nur fünf Jahre später stand dieses erste Nationaltheater wieder in Flammen, am 14. Januar 1823 brannte es, nach der Aufführung einer komischen Oper von Étienne-Nicolas Méhul, bis auf die Grundmauern nieder. Die Geschichte des Nationaltheaters, des zentralen Ortes für Oper in München, sie ist die Geschichte ihrer Wiederaufbauten. Was auch bedeutet: eines mehrfach erneuerten Bekenntnisses der Stadt, einen großen Raum für ihre musikalisch-theatralen Träume haben zu wollen. Nach nur zwei Jahren konnte das Nationaltheater wiedereröffnet werden, von Leo von Klenze, Ludwigs I. allgegenwärtigem Hofarchitekten vergrößert um einen Säulen-Vorbau, die Bühne nun groß genug auch für Meyerbeers Grand Opéras. Der schnelle Wiederaufbau wurde maßgeblich finanziert durch einen zumal in München einträglichen „Bierpfennig“.
Wagner-Theater
Mit gerade 18 Jahren, 1864, wird der zweite Ludwig König in Bayern – und München für einige Jahre zum zentralen Wirkungsort seines Lieblingskomponisten und Idols Richard Wagner. Für das Genie des neuen Musikdramas des 19. Jahrhunderts war, anders für das des 18., sehr viel „vacatur“ da, und das Hof- und Nationaltheater erlebte nicht weniger als vier Geburten künftiger Zentralwerke des ewigen Weltopernrepertoires. Hans von Bülow dirigierte am 10. Juni 1865 die nach grandios gescheiterten Anläufen in Wien, Karlsruhe und anderswo als unspielbar geltende „Handlung“ von Tristan und Isolde. Es folgten, 1868, die Meistersinger von Nürnberg, wieder unter von Bülow. Weiterhin, gegen den Willen des Komponisten, aber auf ausdrücklichen Wunsch des königlichen Mäzens, 1869, Das Rheingold und im Jahr darauf Die Walküre; es dirigierte, im eigens dafür tiefergelegten Orchestergraben, Franz Wüllner, der sich den Ruhm des Uraufführungsdirigenten, aber auch den Fluch Wagners zuzog: „Hand weg von meiner Partitur. Das rath ich Ihnen, Herr; sonst soll Sie der Teufel holen!“ – Es half nichts, und für Wagnerianer ist der erste komplette Ring des Nibelungen bei den ersten Festspielen in Bayreuth 1876 ohnehin die eigentliche und amtliche Premiere. Wagner in München, das war allerseits eine so gloriose wie hysterische Geschichte, der Gesamtkunstwerker des 19. Jahrhunderts blieb auch nach seinem rauschenden Abgang ein zweiter Haupt-Pfeiler des Münchener Spielplans, und 1901 eröffnete die als Festspielhaus gedachte neue Spielstätte, das Prinzregententheater, logischerweise, mit den Meistersingern. Fußnote: Auch Wagners Frühwerk Die Feen wurde in München aus der Taufe gehoben, postum, 1888.