In Trauer verabschieden wir uns von Ray Barra, der im Alter von 95 Jahren am 27. März 2025 in Marbella verstorben ist.

Raymond Martín Barallobre Ramírez wurde am 3.1.1930 in San Francisco geboren. Er lernte im Kindesalter steppen, sah einen Film mit Fred Astaire und Gene Kelly und wollte daraufhin Tänzer werden. Nach dem Studium an der San Francisco School for Ballet und der American Ballet Theater School war er zunächst beim San Francisco Opera Ballet engagiert. Im American Ballet Theater avancierte er zum Solisten und tanzte dann in Stuttgart unter Nicholas Beriozoff das gesamte klassische Repertoire. Als John Cranko 1961 Beriozoff ablöste, gehörte Barra zu der kleinen Gruppe von Tänzern, die in das neue Ensemble übernommen wurden.

In so epochemachenden Balletten wie Crankos Romeo und Julia (1962), Schwanensee (1963), Feuervogel (1964) und Onegin (1965) kreierte er die Hauptrollen, aber auch in Las Hermanas (1963) und Das Lied von der Erde, das Kenneth Mac Millan für Stuttgart choreographierte. 1966 beendete eine gerissene Achillessehne abrupt Ray Barras Tänzerlaufbahn. Mit einem starken Lebenswillen fing sich Barra jedoch wieder, wurde Ballettmeister unter MacMillan an der Deutschen Oper Berlin (1966-70), dann in Neumeiers Ballett der Hamburgischen Staatsoper (1973-76). Als Choreograph hatte Barra sich schon Mitte der 60er Jahre im Rahmen der legendären Matineen der Stuttgarter Noverre-Gesellschaft profiliert 1985 holte ihn Maria de Avila, damals Direktorin des Ballet Nacional Clásico (heute Compañía Nacional de Danza), als Gastchoreographen nach Madrid, es entstanden die Stücke Poema divino (1985), Nocturno (1986); La espera (1987), Caín y Abel (1990); Cascanueces (1986) und Álbum (1988). In der Zeit des Direktions-Übergangs von Maria de Avila auf Maja Plissetskaja amtierte Barra für ein Jahr lang interimistisch als Leiter der Compagnie. Mit seinem Lebensgefährten Massimo Barra verbrachte er seinen Ruhestand in Marbella, war aber weiterhin europaweit tätig. 1994 folgte er etwa einem Notruf seines alten Freundes Götz Friedrich, des Intendanten der Deutschen Oper Berlin, und übernahm dort bis 1997 die Ballettdirektion. Im November 1995 brachte er in Berlin das Stück Die Schneekönigin (nach Hans Christian Andersen) auf Musik von Alexander Glasunow heraus. Für das Griechische Nationalballett kreierte er 2005 Canto General nach Gedichten von Pablo Neruda und zur Musik von Mikis Theodorakis, 2007 schuf er Carmen für das Ballett des Badischen Staatstheaters Karlsruhe unter der Direktion von Birgit Keil. 2010 folgte in Athen eine revidierte Fassung seiner Berliner Schneekönigin.

Auch auf das Tanzgeschehen in München hat Ray Barra nachdrücklich eingewirkt. Für das Ballett der Bayerischen Staatsoper schuf er 1982 das Stück Alborada auf Musik von Maurice Ravel, 1984 folgte das Stück Wandlungsmomente auf Musik von Sergei Rachmaninow. Auch das neu gegründete Bayerische Staatsballett baute auf Barras Erfahrung und Expertise: In seiner zweiten Spielzeit, im Dezember 1991, präsentierte es den Klassiker Don Quijote in einer auf Petipa basierenden Neufassung Barras. Im März 1995 folgte Schwanensee, aufbauend auf Iwanow und Petipa. Am 1. Dezember 2001 feierte schließlich Barras ebenfalls auf Petipa aufbauende Neufassung von Raymonda Premiere. Im Januar 2012 leitete Ray Barra schließlich die Neueinstudierung von Kenneth MacMillans Las Hermanas, einem Meisterwerk, das kurz nach seiner Uraufführung 1963 mit Barra in der von ihm kreierten Hauptrolle auch fürs englische Fernsehen aufgezeichnet worden war.

Ray Barra Erbe lebt weiter, auch in München. Im Nationaltheater war erst im November/Dezember 2024 im Rahmen der Herbst-Matinee der Heinz Bosl-Stiftung der Grand Pas Hongrois aus Barras Neufassung von Raymonda zu sehen. Wir sind dankbar für alles, was Ray Barra uns als Mensch und Künstler zu geben vermochte, und werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.