Ein Tag in der Ballettdirektion: Vorbereitungen für die Wiederaufnahme von
Ein Sommernachtstraum

Von Lieselotte Frank

Nicht weit entfernt vom Nationaltheater befindet sich das Probengebäude des Bayerischen Staatsballetts. Hier, am Platzl 7, trainieren nicht nur die Tänzer:innen, sondern arbeitet auch das Team hinter den Kulissen. Zwölf Mitarbeiter:innen sorgen tagtäglich dafür, dass Proben reibungslos ablaufen, Programmbücher entworfen werden, Musikrechte geklärt sind und die Vorstellungtermine der nächsten Spielzeit feststehen. Ein Besuch bei der Ballettdirektion während der Vorbereitungen für John Neumeiers Ein Sommernachtstraum.

Betritt man das Probengebäude am Platzl, hört man leise Klaviermusik. Allein die gedämpfte Musik - Felix Mendelssohns weltberühmter Hochzeitsmarsch - verrät bereits welches Stück gerade geprobt wird: Die große Hochzeitsszene aus John Neumeiers Ein Sommernachtstraum, eine Ballettkomödie, die der Choreograph nach Shakespeares Drama entworfen hat. Mit etwas Glück steht auch eine Tür zum Ballettsaal offen und erlaubt einen Blick auf die Proben. Folgt man den Treppenstufen weiter bis unters Dach, werden die Ballettsäle durch Bürozimmer ersetzt. Auch hier stehen die Türen offen, und man trifft auf die Mitarbeiter:innen der Ballettdirektion. Während sich bei der Oper künstlerische Leitung und Verwaltung auf mehreren Etagen verteilen, sitzt beim Ballett das kleine Team aus zwölf Mitarbeiter:innen auf einem Stockwerk. Von Künstlerischem Betriebsbüro, Presse, Marketing und Dramaturgie bis hin zur Administration ist alles vertreten.

Das Künstlerische Betriebsbüro (KBB) ist das Herzstück eines jeden Theaters. Im Tagesgeschehen sorgen die Mitarbeiter:innen hier in erster Linie dafür, dass die Proben geregelt ablaufen und alle Tänzer:innen wissen, wann und wo sie anwesend sein müssen. Es werden notwendige Kostüme und Requisiten organisiert, Besetzungen intern kommuniziert und kurzfristige Änderungen an die Tänzer:innen, Ballettmeister:innen und weiteren Abteilungen weitergegeben. Abgesehen davon, dass das KBB den oftmals dynamischen Alltag am Theater managt, werden hier auch die kommenden Spielzeiten geplant. Als nächstes auf dem Spielplan steht die Wiederaufnahme von John Neumeiers Ein Sommernachtstraum. Von einer Wiederaufnahme spricht man, wenn ein Stück mindestens eine Spielzeit nicht im Repertoire war. Das Datum dieser Wiederaufnahme wurde bereits vor zwei Jahren festgelegt, erzählt Bettina Kräutler, die sich um die Disposition des Spielplans kümmert. Für Wiederaufnahmen werden Bühnenproben benötigt. Im Gegensatz dazu können Repertoirestücke, die in der vergangenen Spielzeit auf dem Programm standen, in München in der Regel nur im Ballettstudio einstudiert werden. Da die Bühne des Nationaltheaters 365 Tage im Jahr belegt ist, gibt es nur wenige verfügbare Probenzeitfenster. Erst wenn ein Datum festgelegt ist, wird nach Absprachen mit dem Ballettdirektor entschieden, welches Stück gespielt wird. „Spielentscheidend dafür, ob es von Dispositionsseite möglich ist, ein Stück an dem bestimmten Datum wiederaufzunehmen und später in der Spielzeit zu zeigen, ist unter anderem die Lagerkapazität. Es muss berücksichtigt werden, ob genug Platz hinter der Bühne vorhanden ist, um das Bühnenbild während einer Serie aufzubewahren und wie aufwendig der Aufbau für die Technikabteilung ist,“ erklärt Bettina Kräutler weiter. Auch die Einstudierung und Komplexität der Stücke darf bei der Spielzeitplanung nicht außer Acht gelassen werden: „Sommernachtstraum ist in der Tat kein einfaches Stück, da es viele verschiedene Rollen gibt. Aber die Ballettmeister:innen, die es bisher geprobt haben, sind immer noch am Haus“. Somit gibt es für jede Rolle jemanden, der sich auskennt. Sollte das jedoch einmal nicht der Fall sein, dann wird es komplizierter, denn dann müssen von dem Choreograph ernannte Ballettmeister:innen angefragt werden, die nach München reisen, um das Stück einzustudieren. Auch nach längeren Spielpausen, oder in regelmäßigen Abständen ist es üblich, dass externe Ballettmeister:innen anreisen. Da der Choreograph sein Stück in die Hände der Compagnie legt stellen sie sicher, dass dessen Qualität aufrechterhalten wird. Wie oft das passiert, wird im Vorfeld, wenn Lizenzen für die Rechte an der Choreographie, dem Bühnenbild, der Kostüme etc. erworben werden, festgelegt.

Eindrücke aus der Ballettdirektion

Ein weiterer Mitarbeiter im Künstlerischen Betriebsbüro ist Manó Beke. Über seinem Schreibtisch hängen Bilder aus einer vergangen Zeit: Heinz Bosl, einem großartigen Münchner Tänzer der 1970er Jahre. Auch Beke selbst war viele Jahre Teil des Ensembles als Corps de ballet-Tänzer. Heute ist er für die Probenplanung und das Videoarchiv verantwortlich. Aber ab und zu übernimmt er noch Charakterrollen in bestimmten Produktionen wie zum Beispiel Schwanensee oder Der Widerspenstigen Zähmung. Charakterrollen sind Rollen, für die man kein aktiver Tänzer mehr sein muss, da der Fokus auf der Schauspielerischen Leistung liegt. Auch im Sommernachtstraum wird er als einer der Handwerker wieder auf der Bühne stehen. „Jedes Mal, wenn ich die Bühne betrete, fühle ich mich wieder wie zuhause und merke wie schön es einfach ist sich zu bewegen“. Die Handwerker sind eine lustige Truppe von Männern, die ein Theaterstück für die Hochzeit von Theseus und Hippolyta vorbereiten. Während ihrer Proben passieren zahlreiche tänzerische Missgeschicke. Sie bewegen sich ungelenk, stolpern über die Bühne, verkeilen sich ineinander und streiten darüber wer welche Rolle tanzen darf. Für Manó Beke ist es eine ideale Charakterrolle, da es nicht darum geht mit der perfekten Technik zu brillieren, sondern zu zeigen, dass man auch schauspielerisch, als Teil einer Gruppe, überzeugen kann.

Im nächsten Bürozimmer ist die Dramaturgie untergebracht. Bis das Publikum ein fertiges Programmbuch in der Hand hält, vergeht sehr viel Zeit. Das Erstellen eines Programmbuchs für eine Neukreation ist ein langwieriger Prozess, bei dem die Dramaturgie im ständigen Austausch mit den Choreograph:innen  sowie dem Marketing- und Presse-Team bleibt. Serge Honegger, der Dramaturg des Bayerischen Staatsballetts, muss sich bei jeder neuen Produktion, die er dramaturgisch betreut, zuerst die Frage stellen, um was es in dem Stück wirklich geht. Das beginnt schon bei den Titelbezeichnungen und dem Wording im Programmbuch und den späteren Besetzungszetteln. „Es ist sehr wichtig, auch die Vorstellungen der Choreograph:innen zu integrieren“, so Serge Honegger. „Sollen Artikel von externen Journalist:innen oder doch lieber ein Gespräch gedruckt werden?“ Bei Repertoirestücken wie Ein Sommernachtstraum besteht das Programmbuch bereits, es wurden nur kleine Änderungen vorgenommen. Das Design wurde angepasst, neue Bilder ausgewählt und Musikangaben ergänzt. „Es war mir wichtig, das Konzept des damals entstandenen Programmbuchs nicht komplett zu verändern. Ich „adoptiere“ das Stück lediglich und gebe es dann weiter“. Wie bei vielen Wiederaufnahmen ist es auch hier so, dass der Dramaturg, der das Werk damals geschaffen hat, mittlerweile nicht mehr am Haus ist. Es ist also ein Werk, was von Dramaturg:in zu Dramaturg:in weitergegeben wird. Genauso wie sich das Stück über die Zeit auch verändert, ist auch das Programmbuch im Wandel.

 

„Jedes Mal, wenn ich die Bühne betrete, fühle ich mich wieder wie zuhause und merke wie schön es einfach ist sich zu bewegen“.

- Manó Beke


Auch die Administration stellt einen großen Teil der Arbeit dar. Spricht man in der Ballettdirektion von einem neuen Ballett und dessen Musik, so prüft Franziska Rauch als erstes, ob der Komponist oder die Komponistin noch lebt oder bereits verstorben ist. Für jedes Stück, das auf dem Spielplan steht, muss sie herausfinden, von wem die Musikrechte vertreten werden. Wenn die Sachlage nicht eindeutig ist, kann dies eine sehr zeitintensive Aufgabe sein. Da Ein Sommernachtstraum eine Wiederaufnahme ist, und die Rechteinhaber:innen dementsprechend bereits bekannt sind, ist es bei diesem Stück einfacher. Dazu kommt, dass die Musik von Felix Mendelssohn bereits rechtefrei ist. „70 Jahre nach dem Todesdatum von Urheber:innen wird die Musik automatisch gemeinfrei“, erklärt Franziska Rauch. Es gibt zum Glück sehr viele Komponist:innen von Ballettstücken, deren Musik rechtefrei ist: Tschaikowski, Mendelssohn oder Delibes, um nur einige bekannte zu nennen. Im Rahmen der Musikrechteklärung wird, meist mit Verlagen, seltener mit Komponist:innen, direkt vertraglich vereinbart, für wie viele Vorstellungen und gegebenenfalls auch in Kombination mit welchen anderen Stücken als Ballettabend die Musik verwendet werden darf. Neben den Musikrechten kümmert sich Franziska Rauch auch um die Administration. Hierzu zählen unter anderem Themen wie der Einstellungsprozess neuer Tänzer:innen. Reisen für eine Produktion externe Ballettmeister:innen an, wie es auch bei den finalen Proben von Ein Sommernachtstraum der Fall war, rechnet sie entstandene Reisekosten und die jeweiligen Gagen ab.

Mittlerweile hat die Wiederaufnahme bereits stattgefunden und begeistert seit dem 17. Mai erneut das Publikum. Auch im Juni gibt es weitere Vorstellungen von Neumeiers Ballettkomödie Ein Sommernachtstraum, doch die Mitarbeiter:innen der Ballettdirektion sind bereits mit anderen Planungen beschäftigt: die Reise für ein Gastspiel im Juli in Spanien muss noch organisiert werden, die Probenplanung für die kommende Premiere Heute ist morgen steht an und auch die Vorbereitungen für die nächste Spielzeit laufen auf Hochtouren. Das Team der Ballettdirektion wird alles daran setzen, dass auch diese Stücke erfolgreich über die Bühne gehen. 
 

Zur Autorin
Lieselotte Frank absolviert in der Spielzeit 2021-22 ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim Bayerischen Staatsballett. Im Rahmen ihres FSJs führt sie ein Online-Projekt zur Produktion Ein Sommernachtstraum durch. Dieser Artikel ist als Teil des Projekts entstanden.

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