3. Themenkonzert
Beim Kauf von Karten für alle drei Konzerte erhalten Sie den Paketpreis mit einem Rabatt von 20 %.
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Wissenschaft und Kunst treffen auf kreative Weise in den Themenkonzerten zusammen. Die 2010 begründete Reihe wird von dieser Spielzeit an in enger Kooperation zwischen der Bayerischen Staatsoper und unserem Innovationspartner Brainlab ausgerichtet und findet in der Unternehmenszentrale am Tower des ehemaligen Flughafens München-Riem statt.
Die Abende sind Dialoge zwischen zwei Ausprägungen des menschlichen Forscherdrangs: von der einen Seite her in Form von Vorträgen aus der Grundlagenforschung und der angewandten Wissenschaft, von der anderen mit Musik am Puls ihrer Zeit für Kammerensembles und ähnliche Besetzungen. In der Spielzeit 2023/24 gibt die Neuinszenierung von Mieczysław Weinbergs Oper Die Passagierin Anlass, das kammermusikalische Werk dieses erst seit anderthalb Jahrzehnten weithin wahrgenommenen Komponisten vorzustellen. Dem Thema Erinnerungskultur widmet sich die Bayerische Staatsoper verstärkt seit dem Forschungsprojekt „Wie man wird, was man ist“ – es ist aktueller denn je. Verschiedene Disziplinen aus dem weitgespannten wissenschaftlichen Netzwerk von Brainlab nähern sich in Vorträgen diesem Komplex von Fragen erinnernder Verantwortung, des menschlichen Gedächtnisses und seinen Strategien zum Überstehen existenzieller Krisen. Die Musik bringt die Persönlichkeit des sowjetischen Komponisten polnisch-jüdischer Herkunft zum Klingen, in Korrespondenz mit einem Werk seines Freundes und Förderers Dmitri Schostakowitsch und einer zentralen Komposition des amerikanischen Minimal-Music-Pioniers Steve Reich; zum Auftakt gibt es eine konzertante Darbietung der Kammeroper Lady Magnesia, einer schwarzen Komödie nach einem Text von George Bernard Shaw.
Täglich balancieren Neurochirurgen auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod, führen komplexe Operationen in der Mikrowelt des Gehirns und der Wirbelsäule durch und erleben, dass Gehirnchirurgie nicht nur von Wissenschaft und modernster Technologie geprägt ist, sondern auch von der Menschlichkeit, die jedem Eingriff innewohnt. Trotz routinierter Teamarbeit und scheinbarer Wunder bleibt die Unsicherheit, dass nicht jeder Eingriff das gewünschte Ziel erreicht. Wie geht man mit dieser Herausforderung um, was treibt einen Neurochirurgen an und wie fühlt man sich, wenn der Plan scheitert oder wenn er aufgeht?
Prof. Dr. Peter Vajkoczy, geboren 1968, ist seit 2007 Direktor der Klinik für Neurochirurgie an der Berliner Charité und gilt als einer der renommiertesten Neurochirurgen weltweit. Er studierte in München und war mehrmals an Forschungseinrichtungen und Kliniken im Ausland zu Gast. Bevor er nach Berlin wechselte, war er elf Jahre in Mannheim an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg tätig, wo er sich auf die Neurochirurgie spezialisierte. Für seine medizinische und wissenschaftliche Arbeit wurde er vielfach ausgezeichnet.
Dokumentarisches Komponieren – Streichquartette von Weinberg und Reich
Fast zehn Jahre liegen zwischen Mieczysław Weinbergs sechstem und siebtem Streichquartett – Jahre, in denen nach hoffnungsvollem Beginn in Moskau Formalismus-Angriffe, die Ermordung seines jüdischen Schwiegervaters, des berühmten Schauspielers Solomon Michoëls, und die eigene Inhaftierung stattgefunden hatten. Das 1959 entstandene achte Quartett in c-Moll berührt wie ein Nachklang des inneren Rückzugs, den Weinberg nach diesen Ereignissen angetreten hatte. Tempowechsel und dynamisch-thematische Kontraste gliedern das einsätzige Werk. Es beginnt im Pianissimo mit einer Adagio-Einleitung in C-Dur, das seufzende Figuren bald eintrüben. Sie geht in eine zarte Andante-Bewegung über, in der auch das in repetierten Dreiklangstönen hingetupfte Thema, das sowohl in Weinbergs als auch in Schostakowitschs Klaviertrio den ersten Satz bestimmt hatte, wieder auftaucht. Ein pendelndes, schlenderndes Allegretto nimmt allmählich „jüdische“ Färbung an, spitzt seine sehnsüchtige Thematik in einem schroffen Allegro schmerzhaft zu. Im wiederkehrenden Adagio werden die widerstreitenden Themen kunstvoll verknüpft und zum Ausgleich gebracht.
„Dokumentarisches Komponieren“ nennt Steve Reich die Methode, die er in seinem Streichquartett Different Trains anwendet. Der vielleicht spannendste Vertreter der amerikanischen Minimal Music spielt in seine Streichertextur Interviewfetzen vom Band ein. Drei Sätze bezeichnen Lebensstationen: Der Komponist erinnert sich, wie er während des Krieges als kleines Kind in Begleitung in Begleitung seines Kindermädchens Virginia zwischen New York und Los Angeles hin- und herfuhr, um seine getrennt lebenden Eltern zu besuchen. Das fand in „immer anderen“ Zügen statt, „different trains“, wie eine weibliche Stimme per Lautsprecher sagt. Später fragte er sich, „was mit den kleinen jüdischen Jungen los war zu der Zeit, die so alt waren wie ich und in Zügen aus Rotterdam oder Brüssel oder Budapest saßen und nach Polen gebracht wurden und nie zurückkamen.“ Er selbst hätte in einem dieser Züge sitzen können, hätte er damals in Europa gelebt.
„Vor dem Krieg“, „Während des Krieges“ und „Nach dem Krieg“ heißen die Abschnitte, in die die Stimmen des Kindermädchens, eines Schaffners, der diese Strecke hunderte Male befahren hatte, und von drei Kindern, die den Holocaust überlebten und nach Amerika kamen, eingespielt werden. Zusätzlich sind Eisenbahngeräusche aus den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu hören. Reich gewinnt daraus musikalische Strukturen, die sich mit den unablässig wiederholten Patterns der Streichertextur faszinierend verweben. Es entsteht ein in Musik übersetztes Zeitdokument, das die Atmosphäre einer unablässigen, vielleicht ins Nichts führenden Bewegung zwingend nacherleben lässt, wie sie vielleicht auch Weinberg assoziierte, wenn seine Klezmer-Stimmen sich ineinander verknäueln und wie auf der Flucht überstürzen.
Isabel Herzfeld