KS. Edith Mathis verstorben
Von ihrer Stimme ging ein Glanz aus, der nach innen strahlte. Sie war der Inbegriff einer idealen Mozart-Sängerin, und mit ihrem so edlen wie innigen Gesang hat sie unzählige Auftritte in Oper und Konzert zu etwas Besonderem gemacht. Am gestrigen Sonntag, dem 9. Februar 2025, ist Edith Mathis – zwei Tage vor Vollendung ihres 87. Lebensjahres – gestorben.
Aus Luzern gebürtig, stand sie mit nicht einmal zwanzig am Theater ihrer Heimatstadt erstmals auf der Opernbühne. Nach Stationen in Köln und an der Deutschen Oper Berlin war sie Mitte der 1960er Jahre an der Spitze angekommen, engagiert an allen bedeutenden Opernhäusern der Welt und gefragt bei den berühmtesten Festivals. Bei den Salzburger Festspielen war sie von 1960 an eine feste Größe. Vor allem war sie berühmt für die lyrischen Sopranpartien des klassischen Repertoires, bald auch im jugendlichen Fach – Ännchen und Agathe im Freischütz, Susanna und Gräfin im Figaro, Sophie und Marschallin im Rosenkavalier. Insbesondere in ihrer frühen Zeit wirkte sie auch an vielbeachteten Uraufführungen mit: Gottfried von Einems Der Zerrissene, Hans Werner Henzes Der junge Lord und Gian Carlo Menottis Hilfe, Hilfe, die Globolinks.
An die Bayerische Staatsoper kam Edith Mathis erstmals während der Münchner Opernfestspiele 1970, mit einer Partie, die sie am Nationaltheater und bei verschiedenen Gastspielen über zwei Jahrzehnte fast fünfzig Mal interpretiert hat: der Zauberflöten-Pamina. Auch Susanna und Zerlina hat sie Dutzende Male auf dieser Bühne gesungen, genau wie die Fidelio-Marzelline, die Figaro-Gräfin und die Zdenka aus Arabella. Nicht zu vergessen zwei Partien, die man nicht auf Anhieb mit ihr in Verbindung bringt, die aber ihre Künstlerpersönlichkeit erst vervollkommnen: zum einen, nicht weniger als zwanzig Mal, Debussys Mélisande – zum anderen auch hier eine Uraufführung, Heinrich Sutermeisters Ionesco-Adaption Le Roi Bérenger von 1985, bei der sie unter der Musikalischen Leitung von Wolfgang Sawallisch die Königin Marie verkörperte. 1979 zur Bayerischen Kammersängerin ernannt, kehrte sie bis in die späten 1980er Jahre praktisch in jeder Spielzeit nach München zurück. Rund 150 Abende hat sie an der Bayerischen Staatsoper gestaltet – und dabei auch an Konzerten mitgewirkt: Beispielhaft genannt seien Joseph Haydns Jahreszeiten im November 1978 und ein Quartettabend bei den Opernfestspielen 1980 – die Aufführung der Liebeslieder-Walzer von Johannes Brahms (mit Brigitte Fassbaender, Peter Schreier und Walter Berry sowie Erik Werba und Wolfgang Sawallisch am Klavier) galt damals als Sternstunde.
Als Edith Mathis um die Jahrtausendwende ihren Abschied von der Bühne nahm, war sie längst als Pädagogin tätig, mit einer Professur an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien und bei Meisterkursen in Europa, Amerika und Asien. Ganz loslassen vom Auftreten mochte sie nicht: Noch vor wenigen Jahren stand sie als Rezitatorin beim Lucerne Festival auf der Bühne. Nun, da ihre Stimme verklungen ist, dürfen wir uns umso glücklicher schätzen über den reichen Schatz an Aufzeichnungen, der ihre Kunst für die Nachwelt dokumentiert. In der Blüte der Schallplattenbranche haben die besten Dirigenten ihrer Zeit sie ins Tonstudio gebeten, Karl Böhm und Herbert von Karajan, Karl Richter und Wolfgang Sawallisch, und mit ihr Bach-Kantaten und Mozart-Messen, Beethovens Fidelio und Mozarts Figaro, Lortzings Wildschütz und Henzes Jungen Lord, Mahlers zweite und vierte Symphonie und eine große Auswahl an Liedern aufgenommen.
Längere Zeit verband sie eine berufliche wie private Partnerschaft mit dem Dirigenten Bernhard Klee, der sie bei Liederabenden auch am Klavier begleitete. Zuletzt lebte sie mit ihrem zweiten Mann, dem Kunstsammler Heinz Slunecko, in Salzburg. Auch nach Ende ihrer Bühnenlaufbahn blieb sie der Bayerischen Staatsoper eng verbunden, und bis vor kurzem besuchte sie gelegentlich die Wiedersehenstreffen ehemaliger Ensemblemitglieder. Dort bestätigte sich in persönlichen Begegnungen das, was ihre Stimme auszeichnete, auch für ihr Wesen. Nie wollte Edith Mathis Aufsehen erregen oder von ihrer Person viel Aufhebens machen; charmant, doch dezent, so nahbar wie unantastbar, eben so innig und edel wie ihre Stimme war sie als Mensch. So wollen wir sie im Gedächtnis behalten, dankbar für das Schaffen einer wunderbaren, feinen Künstlerin, an die wir uns in Verehrung erinnern.
Malte Krasting