Rirkrit Tiravanija

Rirkrit Tiravanija ist bildender Künstler und Performer. Für Hanjo hat er die Szenografie entworfen. Er lebt in New York, Berlin und Chiang Mai, Thailand. In seinen Arbeiten schafft Tiravanija oft soziale und räumliche Situationen, welche erst durch die Anwesenheit und Handlungen der Besucher:innen ihre endgültige Form erhalten. Sie haben viel mit Ideen von Gastfreundschaft, sozialem Raum und kultureller Identität zu tun, und in der Tat führen viele Verbindungen in Tiravanijas Biografie. Er wurde als Sohn eines thailändischen Diplomaten in Buenos Aires geboren, zog jedoch in seiner Jugend oftmals um, so dass er in Thailand, Äthiopien, Kanada und den USA aufwuchs.

Fünf Fragen an Rirkrit Tiravanija

Lesedauer: ca. 10 Min

Was war der Ausgangspunkt, von dem aus Sie das Bühnenbild entwickelt haben?

Mein Ausgangspunkt war die Lektüre von Yukio Mishimas Theaterstück Hanjo und der Besuch einer Nō-Theateraufführung in einem Theater in Okayama in Japan.

Wie würden Sie den Raum beschreiben, den Sie für Hanjo entworfen haben? Was denken Sie, wird dort passieren?

Ich wollte versuchen zu verstehen, warum Mishima sein Stück als Nō-Stück bezeichnete, obwohl es eigentlich eher ein Kammerspiel ist. Strukturell hat es den Minimalismus von Nō, also wollte ich eine Situation schaffen, die das widerspiegelt. Und da ich mit Larbi zusammenarbeite, der Tänzer und Choreograf ist, ging es mir beim Bühnenbild sehr stark um den Bewegungsfluss. Ich wollte eine Situation finden, die zwischen verschiedenen Räumen funktionieren kann. Die ursprüngliche Idee war, mit bestimmten Strukturen zu arbeiten, die den Ablauf der Zeit im Raum zeigen. Ich wollte, dass das Publikum versteht, dass Zeit und das Gefühl des Wartens den Kontext der Handlung bilden.

Die Musik von Toshio Hosokawa gestaltet Zeitempfinden, die Bewegung der Tänzer macht Zeit erlebbar. Zeit im Sinne von schlechtem Timing, von Einander-verpassen-im-Leben ist ein Thema in Hanjo. Welche Bedeutung hat die Zeit in Ihrer Arbeit?

Als Buddhist kann ich mit der westlichen Vorstellung von vergehender Zeit als verlorener Zeit nichts anfangen. Ich betrachte die Zeit eher als eine Art Schicksal. Hanako wartet, aber sie wartet nicht wirklich auf eine Person, sie wartet in ihren Gedanken auf sich selbst. Für mich hat die Zeit mehr mit Leben und Tod zu tun, ich sehe sie in größeren Dimensionen. Zeit ist allgegenwärtig und doch nicht greifbar. In den meisten meiner Arbeiten geht es um das Erleben von Zeit, das Erinnern und das Vergessen. 

Warum arbeiten Sie mit Sprache? Welche Bedeutung haben die von Ihnen ausgewählten Textstellen aus Hanjo?

Mein Interesse an der Verwendung von Text und Sprache besteht darin, die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Dinge zu lenken, auf die sie sich normalerweise nicht konzentrieren. Bei Hanjo funktionieren die kurzen Textstücke, die ich daraus ausgewählt habe, auf verschiedene Weise. Manchmal geben sie eine abstrakte Beschreibung der Situation, die wir betrachten (fast wie eine Überschrift für den Akt), manchmal stehen die Textstellen im Kontrast zur Szene. Die kurzen Zeilen stammen alle aus Mishimas Stück, aber ich ordne sie neu an und führe sie in einem anderen Kontext wieder in die Handlung ein, wie ein eigenes Gedicht. Es geht darum, der Perspektive des Stücks eine andere Struktur hinzuzufügen und auch einen Kontrast zur fortlaufenden, zeitgleichen Übersetzung des Librettos in den Übertiteln zu schaffen.

Warum brauchen wir Theater? Brauchen wir Theater?

Wir brauchen das Theater, um uns Zeit und Raum zu geben, über die Realität, in der wir leben, nachzudenken. Damit wir uns in andere Welten und Realitäten versetzen können, in die wir normalerweise nicht eintreten können, und um Erfahrungen zu machen, die wir sonst vielleicht nicht machen würden. Wir brauchen Theater aber auch, um unser eigenes Leben besser zu verstehen und uns daran zu erinnern, worum es geht und welche Bedeutung es hat. Man könnte sich eine theatralische Wiederholung des eigenen Alltagslebens ansehen und sich dabei erst seiner Bedeutung bewusst werden.

 

Die Fragen stellte Katja Leclerc.

JA, MAI

Das Festival für frühes und zeitgenössisches Musiktheater