Antoinette Sibley
Mit Antoinette Sibley, in den neunziger Jahren von der englischen Königin geadelt und damit Dame Antoinette, kommt am 12. Dezember 2001 eine der herausragenden Tänzerinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (wieder) nach München.
Sie galt und gilt als die Inkarnationen der englischen Tänzerschule, geboren am 27. Februar 1939 in Bromley, ausgebildet natürlich an der Royal Ballet School, die damals noch Sadler’s Wells Ballet School hieß. Innerhalb weniger Jahre avancierte sie von der Gruppentänzerin zur Ersten Solistin, wozu sie 1960 ernannt wurde. Spätestens seit dieser Zeit hatte sie ihren unverwechselbaren Platz unter den Ballerinen des Royal Ballet und als internationaler Star. Sie tanzte die grossen Ballerinenrollen des Repertoires, denen sie ihren ganz persönlichen Stempel aufdrückte, eine Mischung aus strahlender Joie de vivre, tänzerisch gesagt: scheinbar mühelose, souveränste Brillanz der Technik, und tiefem Empfindungsreichtum, der sich dem Publikum ganz direkt mitteilte. Sie war eine Tänzerin der perfekten klassischen Linie, die den klaren Lyrismus des britischen Stils unforciert zur Wirkung brachte. Ihr männliches Pendant in dieser Hinsicht war Anthony Dowell, und nicht zufällig entwickelten die beiden eine der legendären Tänzerpartnerschaften des 20. Jahrhunderts.
Es war Frederick Ashton, der dieser Partnerschaft den ersten gültigen Ausdruck gab, indem er für Sibley und Dowell die Hauptpartien in The Dream kreierte. Mit diesem Ballett hatten beide ihren internationalen Durchbruch. Zahlreiche Choreographien von Ashton für Sibley (und Dowell) folgten: unter anderem Monotones, Jazz Calendar, Enigma Variations, der Thaïs-Pas de deux und Varii capricci.
Auch Kenneth MacMillan kreierte mehrfach Rollen für Antoinette Sibley. Zu einem Höhepunkt in ihrer tänzerischen Laufbahn wurde die Titelrolle in Manon, die MacMillan 1974 für sie und mit ihr schuf. Auch hier war Anthony Dowell Sibleys Partner. 1979 zog sich Antoinette Sibley von der Bühne zurück, um nach der Geburt ihres ersten Kindes (ein Sohn, später wurde sie noch Mutter einer Tochter) 1981 wieder zurückzukehren und noch bis weit in die achtziger Jahre hinein – nun als Gast - beim Royal Ballet zu tanzen.
Dame Antoinette Sibley ist Trägerin vieler Auszeichnungen und seit 1991, in der Nachfolge von Margot Fonteyn, auch Präsidentin der englischen Royal Academy of Dancing.
Beim Ballett der Bayerischen Staatsoper war Antoinette Sibley ein seltener Gast. Unter der Direktion von John Cranko, 1972, tanzte sie im Rahmen eines Gala-Abends der Ballettwoche. Einige Jahre später, wieder mit Anthony Dowell, gastierte sie in Schwanensee und bei einem weiteren Gala-Abend.