Judith Turos
Ballettmeisterin
Die Rumänin ungarischer Abstammung zog als 9-Jährige aus Dej, ihrer Heimatstadt, ins Ballettinternat nach Klausenburg, bekam mit 16 ein Stipendium für die Moskauer Ballettakademie, schloss sich nach ihrer Rückkehr dem Tourneeballett von Oleg Danovski an, sammelte jeden Tag auf der Bühne praktische Erfahrung, wie etwa in Der wunderbare Mandarin, Les Sylphides und Schwanensee.
Als 20-Jährige setzte sie sich auf ihrer ersten Deutschland-Tour 1981 ab, trainierte in München, bis Edmund Gleede einen Vertrag als Gruppentänzerin für sie frei hatte. 1985 wurde sie von Ronald Hynd zur Ersten Solistin ernannt. Lise in La Fille mal Gardée, Aurora in Dornröschen und Tatjana in John Crankos Onegin waren ihre Rollen dieser frühen Jahre, gefolgt von Julia, Giselle und Louise in Der Nussknacker. Mit La Valse und Serenade tanzte sie Balanchine und machte in John Butlers Les Doubles und Jiří Kyliáns Nuages erste Erfahrungen mit der Moderne. Roland Petit studierte mit ihr in Marseille sein La Nuit phantastique ein, und Ronald Hynd gab ihr die Hauptrolle in seinem Papillon.
Nach Hynds Abschied heiratete sie Marko Kathol und gebar eine Tochter. Zur Zeit der Gründung des Bayerischen Staatsballetts ist sie wieder in Form und will neue Aufgaben. Konstanze Vernon setzt sie zunächst in vier neuen Hans-van-Manen-Stücken ein, aber ihren exponierten Platz im stark verjüngten Ensemble erobert sie erst 1993 beim Gastspiel in New York zurück. Die amerikanische Kritik ist begeistert von ihrer "erregenden" Tatjana in einer "vollkommen stimmigen Vorstellung" an der Seite von Kirill Melnikov. Ein großer Schritt nicht nur für Judith Turos, sondern auch für das Bayerische Staatsballett. "Die Turos" tanzte nun auch Crankos Katharina, und John Neumeier besetzte sie im Ein Sommernachtstraum als seine erste Münchner Hippolyta/Titania. Davide Bombana kreierte mit ihr, und Youri Vamos schnitt die Titelrolle seines dramatischen Balletts Shannon Rose auf sie zu. Darin ertanzte sie sich die "Aura einer Marcia Haydée der späten 90er Jahre", wie Horst Koegler schrieb. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere verkörperte sie mit Luca Masala als Partner Neumeiers Die Kameliendame. Unter Ivan Liška reflektierte sie in José Limons Chaconne ein ganzes (Tänzer-)Leben, tanzte Balanchines Vier Temperamente und Who Cares?, gab eine hinreißend böse Stiefmutter in A Cinderella Story und tanzte in van Manens Kammerballett wie auch in einem tief berührenden, für sie kreierten Solo von Lucinda Childs in Händel-Corelli. Die Katharina in Crankos Die widerspenstige Zähmung tanzte sie mit stoischem Humor und umwerfend-komischer Körpersprache, Tatjana in Onegin mit der gleichen Leidenschaft wie schon vor 20 Jahren, jetzt aber noch existentieller - es war für sie die Rolle ihres Lebens.
Der Bayerische Staatsminister Zehetmair zeichnete Judith Turos 1997 als erste Künstlerin als Bayerische Kammertänzerin aus. 1999 erhielt sie den Merkur Preis, im Jahr darauf den ungarischen Tanzpreis Europa 2000 und den Tanzpreis der Landeshauptstadt München.
Eine Verletzung und darauf folgende Operationen bedeuteten im Jahre 2003 einen starken Einschnitt. Seit der Spielzeit 2003/2004 ließ sie als assistierende Ballettmeisterin die jüngeren Kollegen an ihren Erfahrungen partizipieren. Sie übernahm auch wieder eine Charakterpartie wie die Königin in Dornröschen, der sie erwartungsgemäß ein unvergleichliches Profil gab. In Hans van Manens The Old Man and Me, dessen Premiere sie im Februar 2005 an der Seite von Ivan Liška tanzte, gab sie im Rahmen der Ballettwoche 2005 am 1. April ihren offiziellen Abschied als Tänzerin.
Seit der Spielzeit 2005/2006 ist sie als Ballettmeisterin beim Bayerischen Staatsballett engagiert.