Kunst als Prozess
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Das Schaffen von Rirkrit Tiravanija lief noch nie in nur eine Richtung, es entzieht sich einer einfachen Definition und lässt sich schwer eingrenzen. Daher kreiert Tiravanija für das Haus der Kunst auch nicht nur eine Ausstellung, sondern bildet Verbindungen in das und aus dem Haus heraus und lässt Überschneidungen zu Toshio Hosokawas Oper Hanjo entstehen.
In seinen Arbeiten schafft Tiravanija oft soziale und räumliche Situationen, welche erst durch die Anwesenheit und Handlungen der Besucher:innen ihre endgültige Form erhalten. Sie haben viel mit Ideen von Gastfreundschaft, sozialem Raum und kultureller Identität zu tun, und in der Tat führen viele Verbindungen in Tiravanijas Biografie. Er wurde als Sohn eines thailändischen Diplomaten in Buenos Aires geboren, zog jedoch in seiner Jugend oftmals um, so dass er in Thailand, Äthiopien, Kanada und den USA aufwuchs. Für das Haus der Kunst wird er den Bühnenraum, den er für die Opernaufführungen von Hanjo erdacht hat, auch auf andere Art und Weise aktivieren: Dort findet eine seiner Performances über Teilhabe, Essen und Zusammensein statt, für die er so bekannt ist. Verteilt auf das gesamte Gebäude und darüber hinaus wird es einen Workshop, eine Performance, eine öffentliche Intervention, sowie eine umfassende Präsentation des filmischen Werks Tiravanijas zu sehen geben.
Es ist nicht das erste Mal, dass Rirkrit Tiravanija mit dem Haus der Kunst zusammenarbeitet. Im Jahr 2004 schlüpfte er in die Rolle eines Künstler-Kurators und konzipierte, zusammen mit Molly Nesbit und Hans Ulrich Obrist, Utopia Station, eine Art reisendes Netzwerk, Plattform und Treffpunkt. Dort versammelten sich damals rund zweihundert Künstler:innen, Architekt:innen, Schriftsteller:innen, Musiker:innen und Performer:innen.
Ein von Tiravanija mitentworfenes, in der Mittelhalle des Haus der Kunst platziertes dreistöckiges Haus bildete dabei das Zentrum für die gemeinsamen Aktivitäten, wie Kochen, Diskutieren, Aufführen und Improvisieren. Tiravanija ist bekannt dafür, die Grenze zwischen Kunst und Leben zu ignorieren und diese beiden Sphären gerade dafür zu verweben, eine künstlerische Produktion von gesellschaftlichem Engagement zu erzeugen. Seine Arbeiten bringen immer Menschen zusammen, laden oft dazu ein, sie zu „bewohnen“ oder an ihnen teilzuhaben, in gemeinschaftliche Rituale einzutauchen. In einer seiner frühesten und bekanntesten Werkreihen verweigert sich Tiravanija traditionellen Kunstobjekten und kocht anstatt dessen für die Ausstellungsbesucher:innen. Die erste Ausgabe dieser Reihe mit dem Titel untitled 1990 (pad thai) fand 1990 im Project Room der Paula Allen Gallery New York statt. In Tiravanijas Monografie von 2005 beschreibt er rückblickend in einem fiktiven Ausstellungsrundgang, wie „die Woks noch immer nicht abgespült sind und wir die getrockneten Überreste von Nudeln, Chilis und Krabbenschwänzen sehen können ... zerbrochene Eierschalen mit herabtropfendem Dotter, die geschmolzene, karamellisierte Klebrigkeit einer fleckigen Packung Zucker auf einem Schneidebrett aus Holz … ungewaschene Messer auf der langsamen Reise des Verrostens … wir können in der Luft immer noch den Geruch von Öl und scharfen Chili und Ketchup riechen.“ Was für uns übrig blieb als Ausstellung war die Erinnerung an ein Ereignis, oder eines möglichen Ereignisses, und viele der Besucher:innen hatten den Eindruck, dass dieses hektische Kochen von kostenlos angebotenen Nudeln und Shrimps nur das Catering war für eine weitere Ausstellungseröffnung eines anderen Künstlers. Rirkrit Tiravanija interessiert sich genau so sehr für den Entstehungs prozess wie für die finale Aufführung oder Präsentation. Prozess ist der Schlüsselbegriff – der Prozess des Lebens, Denkens, Tun und Machens. Innerhalb verschiedener kultureller Räume, Praktiken und Zeitlichkeiten hat der Künstler kontinuierlich die soziale Dimension von Kunst heraus gefordert und erweitert, indem er das Publikum einlädt, sich gemeinschaftlich an Ritualen und Handlungen zu beteiligen.
Emma Enderby, Hanns Lennart Wiesner, Katja Leclerc (Übersetzung)
Kunst: untitled 2016 (where do you fit into all of this) (one, two, three, four), 2016
stainless steel, polyamide, bonsai. © Rirkrit Tiravanija, photo by Otto Felber, courtesy the artist and neugerriemschneider, Berlin