Zwischen den Zeiten
Biografisches über Yukio Mishima
Von: Katja Leclerc
Lesedauer: 5 min.
Über Yukio Mishima zu sprechen bedeutet unvermeidlich, nicht nur sein Schreiben sondern auch sein Leben zu betrachten. Über Mishimas Leben zu sprechen fängt jedoch mit seinem Tod an.
Der große japanische Schriftsteller, geboren 1925 in Tokio, begrenzte sein Leben selbst auf fünfundvierzig Jahre.
Er beendete es am 25. November 1970, indem er Seppuku beging. Der rituelle Suizid bedeutet Selbsttötung mit dem Schwert unter höchster Selbstbeherrschung. Aus dem jungen Dandy war ein Mann mit einer Maske geworden, ein Kämpfer in stählernem Körper, ein Möchtegern anführer einer privaten Miliz mit dem Ziel der Wiedereinführung der Kaiserzeit.
„Schon einige Jahre hatte Yukio Mishima sich in peniblem Training seines Körpers gegen die Zeit gestemmt, gegen das Altern und, wie es scheint, ebenso gegen die moderne Gesellschaft, in der er zum Shootingstar der Literaturszene geworden war."
Eben weil er alte japanische Kultur und neuen Zeitgeist der Nachkriegsgesellschaft virtuos zu verbinden wusste, nicht zuletzt in seinen Überschreibungen alter Dramentexte des Nō-Theaters.
Für seine liebsten Theaterstücke wählte er moderne Schauplätze, änderte Figurencharakterisierungen auf Ebene des Berufs und der Lebensumstände, fand eine eigene, seiner Zeit entsprechende Sprache und veröffentlichte so 1956 fünf moderne Nō-Spiele. Auch Hanjo (Die getauschten Fächer) ist Teil dieser Sammlung.
Der 25. November nun sollte die Zeitenwende zurück zum Glanz des alten Japans der Kaiserzeit bringen. Mishima stürmte das Hauptquartier der japanischen Streitkräfte mit der von ihm gegründeten Kampfgruppe Tatenokai, doch die Umsturzrede des Literaten in Samuraikleidern endete weniger im Triumph als im Desaster.
Im Nachwort zu Mishimas Kommentar zu Hagakure, dem sogenannten „Ehrenkodex der Samurai“ aus dem frühen 18. Jahrhundert, mit dem prophetisch anmutenden Titel Eine Ethik der Tat beschreibt Herausgeber Siegfried Schaarschmidt den Tag, von dem bis heute nicht nur das Zeitungstitelbild mit Mishimas abgeschlagenem Kopf, sondern für Hartgesottene auch ein Video der Selbsttötung im Internet zu finden sind.
„Nach dem äußeren Ablauf jenes Tages geurteilt, war der Grund für sein Sterben der misslungene Versuch, Offiziere und Mannschaften der sogenannten Selbstverteidigungsstreitkräfte für eine Restauration des wahren Japan – ‚mit dem Kaiser im Mittelpunkt‘ – zu gewinnen. Ein General sperrte sich und musste als Geisel genommen werden; die Truppen verhöhnten den Dichter.
Mishima konstatierte, dies bedeute die Niederlage. Unter einem lauten Aufschrei stieß er sich das Kurzschwert in den Leib. Von den vier jungen Männern aus seiner ‚Gesellschaft vom Schild‘, die ihn begleitet hatten, hob nach der Verabredung der fünfundzwanzigjährige Morita jetzt das Langschwert, um dem ‚Meister‘ als letzten Dienst den Kopf abzuschlagen.
Zwei- oder dreimal hieb er zu; er schaffte es nicht. Da riss ihm ein anderer, Furu-Koga, die Waffe aus der Hand, und mit einem gewaltigen Streich durchtrennte er Mishimas Hals. Hiernach setzte Morita zum Seppuku an und wurde ebenfalls von Furu-Koga geköpft.“
Es war der junge Geliebte des 45-jährigen, verdeckt homosexuell lebenden Dichters, der am erlösenden Schwerthieb scheiterte. Vor allem ein autobiografischer Roman Mishimas kann als Chiffre seiner unausgesprochenen homosexuellen Neigung gelesen werden, Bekenntnisse einer Maske von 1949, der den 24-jährigen quasi über Nacht berühmt machte. Es ist die Erzählung vom Unglück eines jungen Mannes, der früh seine Homosexualität und Obsession mit dem Tod entdeckt, sich jedoch in einer gesellschaftlich anerkannten Rolle versteckt. So negiert der Protagonist seine immer wieder im Stillen (und im Schreiben) artikulierte Anziehung zu Männern und fühlt zugleich, dass er seiner Freundin gegenüber emotional untreu ist.
„Der Roman endet mit dem Tag der doppelten Selbstverleugnung, an dem seine Willensentscheidung endlich Schluss machen soll mit dem, was nicht sein darf."
Es gibt aber auch die Gegenerzählung, zuvorderst von Mishimas Ehefrau, die seine Neigungen stets abstritt. Seine beiden Kinder gewannen einen Rechtsstreit gegen Jiro Fukushima, der 1998 in einem Bericht seine sexuelle Beziehung zu Mishima im Jahr 1951 mit Briefen des Autors belegte. Die Klage lautete auf „Urheberrechtsverletzungen“, hatte zur Konsequenz aber auch, dass Mishimas private Äußerungen zu seiner Beziehung aus der Öffentlichkeit verschwinden sollten.