Brigitte Fassbaender zum 85. Geburtstag
Die wunderbare, einzigartige Brigitte Fassbaender wird 85 – wir gratulieren!
Eine Opernkünstlerin, wie es sie nicht noch einmal gibt, eine Persönlichkeit, die im unvorstellbaren siebten Jahrzehnt ihres Wirkens nicht nur eine oder zwei, sondern gleich fünf Karrieren vereint.
Da ist die Sängerin, die von Bach bis Reimann ein riesiges Repertoire gepflegt hat, als große Liedinterpretin ebenso wie als begehrte Konzertsängerin (der Mitschnitt ihres Elias an der Seite von Wolfgang Sawallisch ist kürzlich erschienen) – fraglos im Mittelpunkt aber stand die Bühne, insbesondere die Bayerische Staatsoper, an der ihre Laufbahn mit ihrem ersten und einzigen Festengagement – später in einen Residenzvertrag umgewandelt – begann. Mit dem Satz ihres Vaters und Lehrers Willi Domgraf-Fassbaender – „Nächste Woche ist ein Vorsingen in München, Hartmann will dich hören.“ – ging die Reise los, am 1. April 1961 begann ihr Vertrag; ihr Debüt gab sie am 21. Mai als Edelknabe in Lohengrin; viele hundert Vorstellungen, bald in tragenden und Hauptpartien, sollten folgen, darunter der Ehrenabend zur Eröffnung des wiederaufgebauten Nationaltheaters am 21. November 1963 mit Richard Strauss’ Die Frau ohne Schatten. Am tiefsten in die Herzen des Publikums gesungen hat sie sich wohl als Octavian, und dabei vor allem mit Otto Schenks legendärer Produktion in der Ausstattung von Jürgen Rose. „Zwar hatte sie diese Partie an diesem Haus schon seit 1967 gesungen, aber mit der Neuinszenierung von 1972 begann ihr Siegeszug über alle großen Bühnen der Welt mit Octavian, mit ‚diesem‘ Octavian. Brigitte Fassbaender und Octavian, das verschmolz zu einer Einheit“, heißt es in den Dramaturgischen Blättern der Staatsoper. Sage und schreibe 81 Auftritte in dieser Rolle in München, dazu vier in Japan, verzeichnet die Aufführungsstatistik. Auch ihre beiden letzten gesungenen Partien galten Werken von Richard Strauss: Clairon (Capriccio) im Juli 1989 und Herodias (Salome) im April 1990. Knapp fünf Jahre später hat sie sich von einem Tag auf den anderen vom aktiven Singen verabschiedet, für viele überraschend, von allen bedauert – aber von ihr selbst nie bereut: „Das Publikum soll mich in bester Erinnerung behalten und nicht sagen: ‚Singt die das immer noch?‘“ Denn viele andere Rollen warteten schon auf sie, wie zum Beispiel,
zum zweiten: die der Regisseurin. Ihr inszenierendes Debüt gab sie an der Bayerischen Staatsoper: Nachdem sie die Partie des Octavian niedergelegt hatte, übernahm sie 1989 die szenische Leitung einer Wiederaufnahme „ihres“ Rosenkavaliers mit vielen jungen Rollendebütanten. La Cenerentola in Coburg 1990 war die erste eigene Arbeit, inzwischen nähert sich die Zahl ihrer Inszenierungen dem vollen Hundert, neben Opern auch Operetten, Musicals und Schauspiele, Erst- und Uraufführungen, und – gerade vollendet – ein kompletter Wagner-Ring bei den Tiroler Festspielen in Erl.
Zum dritten: die Intendantin und Theaterleiterin. Zwei Jahre amtierte sie als Operndirektorin in Braunschweig und ging dann für 13 Jahre als Intendantin ans Tiroler Landestheater in Innsbruck; zusätzlich leitete sie (von 2009 bis 2017) das Richard-Strauss-Festival Garmisch-Partenkirchen und seit 2002 den Eppaner Liedersommer.
Viertens die Lehrerin: auf Meisterkursen bei den renommiertesten Adressen und Festivals der Welt, regelmäßig auch zu Gast beim Opernstudio der Bayerischen Staatsoper, hat sie Generationen des internationalen Sängernachwuchses mitgeformt.
Und schließlich, aber nicht zuletzt: die Autorin. Als Librettistin hat sie die Texte zu zwei Musicals verfasst, andere Musiktheatertexte ins Deutsche übertragen – und als begnadete Erzählerin erweist sie sich in ihren Erinnerungen, schnörkellos, präzise, humorvoll: „Komm’ aus dem Staunen nicht heraus“ (C. H. Beck, München 2019). Sie macht keine Umschweife und nimmt kein Blatt vor den Mund, doch über allem schwebt ihre Verehrung für inspirierende Weggefährten und ihre tiefe Liebe zur Musik.
Und jetzt hören wir womöglich in ihre Aufnahme der Fledermaus hinein und genießen das unverwechselbare Timbre und das unbestechliche Timing der Fassbaender; und ob sie es nun hält wie Prinz Orlofsky und sich Gäste einlädt oder lieber in kleinem Kreis feiert oder einfach weiterarbeitet am nächsten Projekt, – wir fühlen uns beglückt und beschenkt von ihrer Kunst.
Wir gratulieren zum Geburtstag und wünschen noch viele Jahre frohen Wirkens in der Welt der Oper!
M. K.