Tanzgeschichte und gelebte Bühnenpraxis
Exzerpt aus dem gleichnamigen Programmbuchartikel von Wolfgang Oberender, der auf den geschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext der Entstehungszeit der Münchner Fassung zurückblickt.
Wolfgang Oberender studierte Germanistik und Geschichte in Stuttgart sowie Musiktheater-Regie in Hamburg. Von 1992 bis 2016 war er beim Bayerischen Staatsballett als Pressereferent, Produktionsleiter, Dramaturg und Stellvertreter des Ballettdirektors tätig.
Den vollständigen Artikel von Wolfgang Oberender lesen Sie im Programmbuch zu La Bayadère, das ca. am 24.5.2023 erscheint und ab dann im Webshop erhältlich sein wird.
Kann man, aus der Sicht des Jahres 2022, die Bayadère-Fassung des Bayerischen Staatsballetts von 1998 noch akzeptieren? Denn: was ist in der Zwischenzeit, Schritt für Schritt, geforscht und gefunden worden! Wie sehr hat sich in den vergangenen mehr als zwei Jahrzehnten die Sensibilität für Stil, historische Authentizität, für die Eigenwürde vergangener Epochen entwickelt! Um die Münchner Fassung zu verstehen, betrachtet man am besten ihre Voraussetzungen, betrachtet, worauf sie sich beziehen konnte. Sodann darf man sich fragen: Warum wurde dieses Schlachtross aus dem Repertoire des 19. Jahrhunderts beim Bayerischen Staatsballett produziert? Und weshalb sah es dann so und nicht anders aus? Die Frage des Warum ist klar zu beantworten. Konstanze Vernon, deren Kampf um die Emanzipation des Balletts der Bayerischen Staatsoper zu einem selbständigen Bayerischen Staatsballett 1988 mit ihrer Berufung zur Ballettdirektorin gewonnen war, glaubte an den Wert der klassischen Überlieferung, deren glanzvolle und verantwortliche Präsentation gleichberechtigt neben der Moderne und den Entwicklungen der Avantgarde stehen sollte. Es gab für sie keinen Zweifel, dass die Gipfelwerke des klassischen Balletts in der St. Petersburger Welt von Marius Petipa zu finden waren. Sie war nicht blind für die Probleme, die diese Überlieferung für ein heutiges Publikum ebenso wie für Tänzer, Produzenten und Musiker darstellen konnten. Aber sie war allezeit bereit, den Kampf ums Ganze zu wagen. Vor diesem Hintergrund ist die Wahl von Marius Petipas La Bayadère zu sehen, so fragmentarisch die Überlieferung sein mochte. Das Ziel war, möglichst viel Petipa zu zeigen, eine Annäherung an die historische und künstlerische Wahrheit zu versuchen, aber auch so frei wie nötig mit dem Werk umzugehen. Der berühmte „Schattenakt“ bildete den Fels in der Brandung der tausend Ungewissheiten darum herum. […]
Den vollständigen Artikel von Wolfgang Oberender lesen Sie im Programmbuch zu La Bayadère.