Ein Planet auf der anderen Seite des Ballett-Kosmos
Mit dem dreiteiligen Tanztheaterstück Triptych stellt sich im Rahmen der Ballettfestwoche 2024 erstmals die gefeierte belgische Compagnie Peeping Tom auf der Bühne des Nationaltheaters vor. Wer Ballett mit Virtuosität, Kraft und Sinnlichkeit verbindet, der wird auch bei dieser weltbekannt gewordenen Truppe fündig – allerdings unter ganz anderen Vorzeichen. Als wäre die ganze Idee des Balletts auf den Kopf gestellt und einmal umgewendet worden, erlebt das Publikum in Triptych eine Bewegungssprache mit großem Sogpotenzial. Die Darsteller:innen erforschen spielerisch die Möglichkeiten und Grenzen des Körperlichen. Die Virtuosität besteht dabei in einer unglaublichen Vielfalt an Ausdrucksformen und extrem präzisen Abläufen, die bis hin zur Akrobatik reichen. Gabriela Carrizo und Franck Chartier, die beiden Gründer der Compagnie, gestalten jedoch nicht nur die tänzerischen Vorgänge, sondern choreographieren Bühnenbild, Requisiten und Licht gleich mit. Auf diese Weise entsteht ein Gesamtkunstwerk, das diesen Namen wirklich verdient.
Wie bei jeder Produktion von Peeping Tom liegt der Ausgangspunkt in der Gestaltung eines ganz spezifischen Raums. Im Falle von Tryptich ist es ein Ozeandampfer. Hier begegnet das Publikum der Gedankenwelt eines Mannes, dessen Leben wie ein unheimlicher und verstörender Film an ihm vorbeizieht. In den Gängen und Kabinen des Ozeandampfers tauchen andere Figuren auf, die mit dem Protagonisten sowohl auf einer realen als auch auf einer imaginären Ebene in Verbindung stehen. Eine labyrinthische Reise nimmt ihren Lauf, die aus Erinnerungen, Ahnungen, Illusionen, Utopien und verlorenen Lieben besteht. So wird das, was normalerweise an Albträumen, Ängsten und Sehnsüchten verborgen und ungesagt bleibt, plötzlich fassbar.
Seit seiner Gründung im Jahr 2000 in Brüssel hat Peeping Tom seine Kreationen auf der ganzen Welt präsentiert und zahlreiche Preise gewonnen. Auf Einladung von Ballettdirektor Laurent Hilaire präsentiert sich die Compagnie nun zum ersten Mal auf der Bühne des Nationaltheaters. Triptych ist unter anderem aus Kreationen hervorgegangen ist, die am berühmten Nederlands Dans Theater (NDT) entstanden sind und 2020 zu einem dreiteiligen Abend zusammengeführt wurden. An der gefeierten Produktion faszinieren Laurent Hilaire zum einen die bilderreichen und sinnlichen Episoden, die aus alten und neuen Mitteln des Theaters zusammengesetzt sind. Zum anderen werfen sich die Darstellerinnen und Darsteller derart mit Leib und Seele in ihre Aufgabe, dass sie für ihn neben dem Vermitteln der krimihaften Handlung zugleich auch den Beweis von der Gültigkeit des Theaters in der Gegenwart erbringen.
Auf diese Weise feiert die diesjährige Ballettfestwoche mit Triptych von Peeping Tom die Vielfalt an tänzerischen Sprachen, die alle zusammen den Kosmos des Balletts bilden. Und sind es nicht vielleicht gerade jene Planeten an der Grenze einer Konstellation, die die größten Entdeckungen in Aussicht stellen? Peeping Toms radikal-kreativer Ansatz im Kosmos des Balletts gehört ganz bestimmt dazu.