TSCHAIKOWSKI-OUVERTÜREN
Alexei Ratmansky wählte für sein abstraktes Ballett Ouvertüren von Pjotr I. Tschaikowski aus, die dieser in verschiedenen Lebensphasen zur Aufführung im Konzert komponiert hatte. Inhaltlich gehen alle musikalischen Werke auf Dramen von William Shakespeare zurück: Hamlet, Der Sturm und Romeo und Julia. Obwohl Alexei Ratmansky kein Handlungsballett kreiert hat, tauchen die erzählerischen Motive aus den drei Werken immer wieder auf. Auf diese Weise bildet Shakespeares ‚Stimme‘ sowohl die Basis für das tänzerische Geschehen auf der Bühne als auch für die aus dem Orchestergraben erklingende Partitur. Traditionellerweise stehen die Ouvertüren am Anfang einer Oper oder eines Balletts und leiten zu einer Handlung über. In Alexei Ratmanskys Tschaikowski-Ouvertüren jedoch folgt Ouvertüre auf Ouvertüre, wodurch auf jedes Setzen eines Anfangs ein neuer Anfang folgt. Darin verwoben ist ein Grundversprechen des Theaters, mit jedem Öffnen des Vorhangs eine neue Welt erscheinen zu lassen. Mit den Mitteln des klassischen und neoklassischen Balletts verweist Alexei Ratmansky in seiner Choreographie kontinuierlich auf die Geschichte der Tanzkunst. So musste das Ballett in verschiedenen Epochen wiederholt buchstäblich um sein Überleben kämpfen. Dabei schwang stets die Hoffnung mit, dass die faktische Wirklichkeit in etwas Tänzerisches aufzulösen wäre. Die „Fantasie-Ouvertüren“, wie die von Tschaikowski gewählte Gattungsbezeichnung der im Ballettabend zu hörenden Orchesterwerke lautet, werden durch ihren schillernden Charakter zu idealen Vorlagen für ein Ballett, das sich gleichfalls als ein Fantasieren versteht: ein Fantasieren darüber, welche Rolle das klassische Ballett in der Gegenwart einnimmt, worin die Erinnerungen bestehen, die es mit sich trägt, und wie es seine Zukunft gestalten möchte.