#6 WirSindBSO

mit Georg Buenger (Stellvertretende Direktion Kostüm und Maske) und Julian Schulz (Maestro suggeritore, Soufflage und Bühnenmusik)

GB Georg Buenger

JS Julian Schulz

LF Lea Lugscheider und Sarah Franke

LF: Freut mich, dass wir uns hier zusammengefunden haben. Wir würden gerne damit starten, was eure alltäglichen Aufgaben sind und, falls ihr ein Objekt mitgebracht habt, was das ist und inwiefern das relevant für eure alltägliche Arbeit ist?

JS: Ich habe tatsächlich nichts dabei, weil ich mit der Stimme und mit den Händen arbeite. Es passiert total im Moment und am Ende der Vorstellung oder am Ende der Probe ist der Moment wieder vorbei. Meine normale Arbeit ist die Betreuung der Proben und der Vorstellungen.

GB: Bei mir sind auf jeden Fall die beiden Telefone immer am Start, einfach für jegliche Erreichbarkeit. Ich würde sagen, grundsätzlich ist meine Arbeit sehr viel Kommunikation, sehr viel Organisation im Hintergrund. Ich sorge im Prinzip für die Vorläufe, die wir brauchen, wenn beispielsweise Neuproduktionen anstehen. Wir machen Abgabetermine mit den Kostümbildner:innen aus und sind letzten Endes ab dem Zeitpunkt der ersten Besprechung bis hin zur Premiere dabei und tatsächlich auch ein Stück darüber hinaus, wenn jemand umbesetzt wurde und neue Dinge gebraucht werden.

LF: Ich finde es sehr spannend, mit euch beiden zu sprechen. Beide Berufe finden im Hintergrund statt, aber ohne würde keine Vorstellung laufen können.

GB: Genau, wie bei so vielen Berufen an Theatern, von denen man auf der Bühne nicht viel sieht.

LF: Bereitet ihr euch auf eine bestimmte Art und Weise auf eure Arbeit vor? Habt ihr einen speziellen Ablauf?

GB: Ich würde sagen ganz grundsätzlich eine gute Dispo. Wenn es die nicht weit genug im Voraus gibt, dann stehen wir einfach da und sind nicht handlungsfähig. Darüber hinaus strukturiert sich das meistens so, dass ich natürlich mit allen Produktionsleitungen in Kontakt treten muss, um zu sehen, wo es vielleicht Handlungsbedarf gibt.

JS: Ich komme tatsächlich einfach zur Probe und dann zur Vorstellung. Die Vorbereitung findet normalerweise zu Hause statt. Es wird erwartet, dass wir hier studiert ankommen, wie auch alle Sängerinnen und Sänger. Vor der Vorstellung habe ich mir angewöhnt, wirklich sehr früh da zu sein, um in die entsprechende Stimmung zu kommen und auch die Konzentration zu sammeln.

GB: Ich finde es wahnsinnig, dass euch die Darsteller:innen tatsächlich hören können. Man kriegt ja im Zuschauersaal überhaupt nicht mit, dass da noch jemand ist, der Dinge flüstert oder die Einsätze mitgibt.

JS: Wenn man mich hört, ist das meistens groß danebengegangen.

(Beide lachen)

GB: Aber wie ist das Verhältnis? Es gibt wahrscheinlich Sänger:innen, die sich da sehr darauf verlassen, dass ihr da seid, und andere, die ihren Text einfach so können.

JS: Jeder Mensch, der hier auftritt, bekommt eine individuelle Behandlung. Es gibt Sängerinnen und Sänger, die komplett perfekt studiert auftauchen, die holen sich manchmal aus dem Augenwinkel einen musikalischen Einsatz ab und es gibt Kolleg:innen, die sich wirklich jedes Wort abholen. Aber es ist individuell und in jeder Vorstellung anders. Vor der Vorstellung gehe ich immer in die Garderobe und dann frage ich ganz kurz Wie geht es und Ist heute alles in Ordnung? Manchmal erfährt man dann eben schon Oh, ich habe heute schlecht geschlafen oder Mir geht es nicht gut, ich habe Kopfschmerzen. Dann weiß ich schon von vornherein – Ah ja, da ist jetzt mehr Aufmerksamkeit nötig. Und dann gebe ich vielleicht auch einfach mehr Text und noch deutlicher die Einsätze, als ich es sonst machen würde.

LF: Ihr verbringt hier im Haus viel Zeit an eurem Arbeitsplatz. Gibt es sonst noch einen Ort, wo ihr gerne hinkommt? Habt ihr einen Lieblingsplatz?

JS: Also für mich ist das tatsächlich eher der Max-Joseph-Platz. Ich komme jeden Tag über den Max-Joseph-Platz in die Arbeit und wenn ich so auf die Fassade des Nationaltheaters zulaufe und dann oftmals um diese Tageszeit die Sonne hinter dem Nationaltheater gerade zum Vorschein kommt, dann ist es schon ein besonderer Moment. Ich denke immer wieder aufs Neue: Wow, was für ein Privileg, hier arbeiten zu dürfen.

GB: Mir geht es manchmal tatsächlich eher mit dem Sonnenaufgang so, wenn die Sonne noch in der Morgentiefe steht. Und ansonsten würde ich tatsächlich sagen, im Magazin gibt es einen wunderschönen Ausblick, der einfach über die Stadt blickt. Noch als Gewandmeister hab ich da natürlich selber Anproben gemacht und jetzt bin ich da ab und an, um mit Kolleg:innen Dinge zu besprechen. Und für manche Pausensituationen oder wenn es wirklich einfach gerade mal einen Moment Luft braucht, nutze ich das Kabinettsgärtchen ganz gerne.

LF: Wolltet ihr schon immer an die Oper? Wie war euer Weg dorthin, wo ihr jetzt seid?

JS: Also ich wäre niemals davon ausgegangen, dass ich jemals hier arbeiten würde. Ich bin als Student immer reingekommen, während des Dirigierstudiums, auf den ganz günstigen Last Minute Plätzen.

GB: Was hast du studiert?

JS: Orchesterdirigieren.

GB: Ah stimmt, du musst ja die Partituren verstehen und lesen.

JS: Es gab einmal einen Moment gegen Ende meines Studiums, da hatte die Bayerische Staatsoper eine Stelle ausgeschrieben in der Soufflage als Maestro suggeritore, und diese Ausschreibung hat mir mein Professor hingelegt mit dem Verweis Wäre das nicht was für Sie? Ich habe sofort zugesagt und mich beworben – bevor ich wusste, was der Job genau ist.

GB: (Beide lachen) Okay, okay. Leichtsinnig vielleicht aber hat ja geklappt.

GB: Ich kann es gar nicht so genau sagen, ob Oper direkt immer so ein ganz großer Wunsch gewesen ist. Ich mag durchaus auch kleine Produktionen, weil die oft ein sehr übersichtliches Spektrum haben. Ich war vorher am Staatstheater in Hannover und hatte da sehr viele Schauspielproduktionen, die ich als Gewandmeister allein betreut habe. Das war ein sehr angenehmes Arbeiten, weil man direkteren Kontakt auch mit dem Team hatte. Bei mir hat sich dann vieles von dem, was es heute in meiner jetzigen Funktion braucht, mit dem Studium und in den Berufsjahren danach entwickelt.

LF: Welches Studium war das?

GB: Der Studiengang ist so was wie Kostümdesign mit zwei Schwerpunkten. Einmal das Technische und Handwerkliche, ausgehend von den Körpermaßen über den Papierschnitt hin zu einem fertigen Bekleidungsteil. Und als theoretische Basis gab es Schwerpunkte in Theater- und Kostümgeschichte sowie Philosophie in Kombination mit eigenen Entwurfsarbeiten. 

 

“... wenn man liebt, was man tut, bemerkt man nicht mehr, wie die Zeit vergeht”

Julian Schulz

 

LF: Julian, hast du ein festes Repertoire der Vorstellungen, die du übernimmst?

JS: Nicht unbedingt, nein. Bei uns sind die Sprachen ein großes Thema. Dadurch, dass hier von uns erwartet wird, dass wir auf muttersprachlichem Niveau soufflieren, gibt es da natürlich schon gewisse Vorlieben. Es gibt zum Beispiel Kollegen, die machen eher nicht so viel Französisch. Dafür habe ich zum Beispiel bisher immer um Russisch und Tschechisch einen Bogen gemacht.

GB: Wir denken an Die Nase.

JS: Das Härteste war vermutlich Herzog Blaubarts Burg von Béla Bartók vor einigen Jahren, weil das auf Ungarisch ist. Da mussten wir uns tatsächlich einen externen Spezialisten holen, weil man Ungarisch nicht mal einfach so nebenbei lernen kann.

GB: Das Berufsfeld ist auch nicht so richtig flächendeckend besiedelt?

JS: Es ist sehr speziell. Wir sind hier Maestri suggeritori, also dirigierende Souffleure. Das kommt aus der italienischen Tradition und ist ein nicht sonderlich häufiges Berufsbild.

GB: Eigentlich geht man davon aus, es gibt den Herrn Maestro vorne. Ist der dann nur für das Orchester da?

JS: Er ist der gesamtverantwortliche Dirigent und er dirigiert das Orchester.

GB: Und nach dem richtest du dich aus?

JS: Auf jeden Fall. Wir haben ein Kamerasystem bei uns, direkt in meinem Sichtfeld habe ich einen ganz kleinen Dirigentenmonitor und den sehe ich, wenn ich auf die Bühne gucke. Es ist in gewisser Weise ein geteilter Workload.

LF: Da ist ja die Aufmerksamkeit auf ganz vielen Punkten während der Vorstellung – auf den Sänger:innen, auf der Statisterie, auf dem Chor, auf dem Dirigenten, auf der Partitur. Und dann musst du auch noch die Worte wissen.

JS: Und währenddessen souffliere ich und gebe die Einsätze. Also es ist konzentrationsmäßig auf jeden Fall Hochleistung. Manchmal kommt es tatsächlich vor, dass man mit voller Stimme in der Vorstellung anfangen muss, eine Sopranarie zu singen.

Abschließend würde ich gerne noch wissen, welche Oper ihr euch immer wieder anschauen könntet?

GB: Rein musikalisch finde ich Barrie Koskys Inszenierung von Das schlaue Füchslein sehr spannend. Das war einfach eine super Zusammenarbeit mit dem Team, gerade auch mit Victoria Behr, die für die Kostüme zuständig war. Und ich fand das einfach sehr erfrischend, weil das mal etwas anderes war als die sehr klassischen Repertoirestücke.

JS: Was ich immer wieder machen kann, ist Götterdämmerung oder Die Frau ohne Schatten. Ich liebe diese Opern einfach über alles.

GB: Die habe ich hier tatsächlich bisher noch nicht gesehen.

JS: Also sechs Stunden Götterdämmerung – man weiß danach, was man getan hat.

(Beide lachen)

JS:  Aber es lohnt sich immer wieder.

LF: Ihr seid dann ja auch sechs Stunden da.

JS: Und zwar mit voller Konzentration. Es kann ja in jeder Sekunde etwas Unvorhergesehenes schiefgehen.

GB: Aber setzt dich das nicht die ganze Zeit unter einen wahnsinnigen Druck?

JS: Ja, aber wenn man liebt, was man tut, bemerkt man nicht mehr, wie die Zeit vergeht.

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