Léonide Massine

Leonide Massine kam am 08. August 1895 auf die Welt.Er erhielt seine Ausbildung als Tänzer an der berühmten kaiserlichen Ballett Akademie. Noch während er als Solist in Charakterrollen am Bolschoi Theater auftrat, entstand eine immer stärkere Begeisterung für das Schauspiel und so trat er bald in Stücken am Maly Theater auf.


Er dachte schon an eine Karriere als Schauspieler, als ihn Serge Diaghilew 1913 als Charaktertänzer sah. Da Diaghilew auf der Suche nach einem Ersatz für Nijinsky war, bot er Massine einen Vertrag bei den Ballets Russes an. Im Jahr 1914 stellte er in Paris den Joseph in Fokines Josephs Legende dar und im Jahr darauf schuf er sein erstes eigenes Werk Soleil de Nuit. Damit wurde er erster Solist und Choreograph der Ballets Russes.

Massine machte Diaghilews aufsehenerregende Vision von einem Zusammenwirken der Künste zu seiner eigenen.Folglich schuf er zahlreiche Werke in enger Zusammenarbeit mit bedeutenden Komponisten und bildenden Künstlern der Zeit, darunter Pablo Picasso, Henri Matisse, Georges Braque, André Derain, Leon Bakst, Natalia Goncharova, Michail Larionov, Robert und Sonia Delaunay, sowie Manuel de Falla, Erik Satie, Igor Strawinsky und Sergej Prokofieff.Zwischen 1917 und 1920, während der Turbulenzen der Kriegs- und Nachkriegsjahre des Ersten Weltkriegs, schuf diese Künstlergemeinschaft eine Reihe bahnbrechender Werke, die den Tanz unmittelbar ins Reich der Moderne führten: Parade 1917 choreographiert im Zusammenspiel mit Erik Satie, Pablo Picasso und Jean Cocteau, The Good Humoured Ladies (Scarlatti - Tommasini und Bakst), ebenso 1917, La Boutique Fantasque (Rossini - Respighi und Derain), La Tricorne (De Falla und Picasso), beide 1919, Pulcinella 1920 mit Strawinsky und Roerich.Meist war Massine selbst in diesen Stücken die charismatische Zentralfigur.

Im Jahr 1920 veranlasste ihn sein Drang, sich als eigenständiger schöpferischer Künstler weiter zu entwickeln, dazu, in London eine kleine Kompanie zu gründen, die in Großbritannien und Südamerika Tourneen unternahm, wobei sowohl neue Stücke als auch Wiederaufnahmen höchst erfolgreich waren.Im Jahr 1924 wurde er Mitglied bei Graf Etienne de Beaumonts Soirées de Paris und schuf Salade (Milhaud/ Braque), Mercure (Satie/Picasso) und das ganz besonders beliebte Le Beau Danube zu Musiken der Brüder Strauß und der Mitarbeit des gräflichen Designers und Ballettmäzens. 1925 kehrte er zu den Ballets Russes zurück und brachte eine Reihe neuer Stücke auf die Bühne, so etwa Zéphyre et Flore (Dukelsky/ Braque), Les Matelots (Georges Auric/ Pruna) und 1928 Ode (Nabokov/ Tchelitchev - Charbonnier).

Im Jahr 1928 reiste er in die Vereinigten Staaten auf der Suche nach neuen Schaffensmöglichkeiten.Mehr als zwei Jahre lang schuf er wöchentlich ein neues Ballett am Roxy Theater in New York City. In Philadelphia brachte er erfolgreich sein Sacre du Printemps wieder auf die Bühne und 1930 auch an der Metropolitan Oper, wo Martha Graham die Rolle des auserwählten Mädchens darstellte. 1932 kehrte er nach Europa zurück, um bei den neu gegründeten Ballets Russes de Monte Carlo als Ballettmeister und Choreograph, dann als künstlerischer Direktor zu arbeiten.Die Ballets Russes de Monte Carlo bewirkten durch ihr vitales und breit gefächertes Repertoire und die Publikumswirksamkeit der brillanten jungen Tänzer eine neue Ballets Russes Ära, die zu einem begeisterten Interesse für Ballett führte, bei einem weitgestreuten internationale Publikum – Ballett war bis dahin eher das Privileg einer Oberschicht der Gesellschaft.

Kreativer Leiter der Ballets Russes de Monte Carlo, verwirklichte Massine 1933 sein Ziel, eine bekannte Symphonie als choreographische Partitur zu benutzen. Es war dies das erste Mal im Westen, dass eine Symphonie für ein Ballett genutzt wurde. Unter großen Protesten gegen diesen Gebrauch von Musik schuf er Les Présages zu Tschaikowskys Fünfter Symphonie und später im selben Jahr Choreartium ein vollkommen abstraktes Ballett, das wesentlich ein sichtbarer Ausdruck der Musik sein sollte. Beide Ballette sind Meilensteine in der Geschichte des Tanzes. Er arbeitete weiter an seiner Idee, musikalische Strukturen sichtbar zu interpretieren mit einer Reihe symphonischer Ballette: Symphonie Fantastique (Beethoven/ Berard – Lourie, 1933), Seventh Symphony (= Siebte Symphonie) (Beethoven/ Berard, 1938), Nobilissima Visione (Hindemith, Tchelitchev, 1938), und endlich Le Rouge et le Noir (Schostakowitch, Matisse, 1939). Zu den vielen weiteren Balletten, die er für die Ballets Russes de Monte Carlo schuf, zählen Jeux d’Enfants (Bizet, Miró, 1932), Gaiёté Parisienne (Offenbach, arrangiert von Rosenthal, Etienne de Beaumont, 1938), Capriccio Espagnol (Rimsky-Korsakow, Andreau, 1939), Bacchanale (Wagner, Dalí, 1939) und Labyrinth (Schubert, Dalí, 1941). Zwischen 1933 und 1939, ob auf Tourneen in den Vereinigten Staaten, Kanada, Mexico, oder in Europa, wo sie in ihrer Heimstatt am Royal Opera House Convent Garden in London auftraten, gewannen die Ballets Russes de Monte Carlo enormes internationales Ansehen und dies war auch der Höhepunkt von Leonide Massines Laufbahn als Tänzer und Choreograph.Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges emigrierte die Kompanie in die Vereinigten Staaten, wo sie drei Jahre lang unter zermürbenden Umständen Tourneen unternahm, meist jeden Tag in einer anderen Stadt. Das Repertoire bestand aus Massine Klassikern, die ungeheuer beliebt geworden waren, aber auch einigen seiner jüngeren Werke. Im Jahre 1942 endete Massines Arbeit für die Ballets Russes und Massine begann eine weitgefächerte internationale Karriere als Choreograph. Er brachte weltweit für bedeutende Ballettkompanien seine Werke auf die Bühne.

1952 verwirklichte er einen lang gehegten Wunsch und choreographierte die Passion Christi als Erzählung in stilisierten Bewegungen, im Geist byzantinischer Mosaiken und primitiver, italienischer Malerei. Ursprünglich hatte er das Werk bereits im Jahr 1916 choreographiert unter dem Titel Liturgie, für Diaghilews Ballets Russes. Es kam aber nie zur Aufführung. Geschaffen zu Gregorianischen Gesängen des dreizehnten Jahrhunderts, für das Orchester bearbeitet von Valentino Bucchi, wurde Laudes Evangelii in europäischen Kathedralen aufgeführt, z.B. in Nantes 1951, Perugia 1952 und an der Scala in Mailand 1959, gepriesen als monumentales künstlerisches Ereignis.Das Werk wurde auch fürs Fernsehen produziert und in Europa und den Vereinigten Staaten im April 1962 gesendet. In seinen letzten Lebensjahren war Massine einerseits damit beschäftigt, Wiederaufnahmen seiner Stücke zu betreuen, widmete aber zugleich viel seiner Zeit dem Erstellen und Lehren einer Theorie des Choreographierens.

Er starb am 15. März 1979 in dem kleinen deutschen Städtchen Borken, wo er neben seiner vierten Frau Hannelore begraben liegt.