TWO ISLANDS OF ILLUSIONS
Die Bühne der Bayerischen Staatsoper
Die Insel der Ariadne auf Naxos
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#BSOhongkong
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Seit circa 400 Jahren gibt es die Kunstform Oper – ähnlich lang, schon seit dem Barock, ist ihre Tradition in München. Hier wird 1653 die erste italienische Hofoper eingeweiht. Das beachtliche Renommee Münchens als Opernstadt beruht auf den Beziehungen von Komponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, Richard Wagner und Richard Strauss zu der bayerischen Metropole. Heute ist die Bayerische Staatsoper eine der bedeutendsten Operninstitutionen der Welt und im Münchner Nationaltheater beheimatet. Der 1818 erstmals eingeweihte, in klassizistischem Stil errichtete Theaterbau zählt mit seinem prachtvollen Zuschauerraum für 2.101 Plätze und mit seinen Foyers zu den größten und schönsten Opernhäusern weltweit. Für die berühmtesten Sänger, die bedeutendsten Dirigenten und interessantesten Regisseure war und ist die Bühne des Nationaltheaters eine Insel.Eine Insel für Illusionen, Imaginationen und Exkursionen. Eine Insel für lebendige Kunst: Für Oper.
Bedeutende Uraufführungen fanden und finden an der Münchner Oper statt:1781 Idomeneo von Wolfgang Amadeus Mozart; der Erfolg veranlasste den Komponisten von Salzburg nach München zu ziehen. 1865:Uraufführung von Tristan und Isolde, jenem Werk, das die Musikwelt revolutionierte am Königlichen Hof- und National-Theater in München.
Die enge Beziehung zwischen Richard Wagner und König Ludwig II. von Bayern führte in München ebenfalls zu den Uraufführungen vonDie Meistersinger von Nürnberg (1868), Das Rheingold (1869) und Die Walküre (1870).
Weitere bedeutende Uraufführungen am Münchner Nationaltheater:Richard Strauss Capriccio (1942), Aribert Reimann Lear,(1978), Miroslav Srnka South Pole(2016)...
Auch heute kommt es in nahezu jeder Saison an der Bayerischen Staatsoper zu Ur- und Erstaufführungen „neuer“ Opernwerke. So wurde als Festspieleröffnung (2022)erstmals in München Krzysztof Pendereckis Die Teufel von Loudun mit überwältigendem Erfolg in der Regie von Simon Stone auf die Bühne gebracht. Das Dirigat lag in Händen des Bayerischen Generalmusikdirektors Vladimir Jurowski, einem Dirigenten, der sich immer wieder entschieden für neue und oft auch sperrige Werke einsetzt.
Ein Jahr später folgte die Oper Hamlet (2023)des Komponisten Brett Dean. In diesem Jahr (2024) erwartet man mit Spannung die Münchner Erstaufführung von György Ligetis Le Grand Macabre, einem Klassiker der Moderne.
1818 wird das Königliche Hof- und Nationaltheater eingeweiht. Es hatte 2.600 Plätze und München 50.000 Einwohner! Sein Architekt Karl von Fischer orientierte sich am griechischen Tempel und dem Théâtre de l’Odeon in Paris. 1823Brandkatastrophe, Wiederaufbau durch Leo von Klenze, 1825 Wiedereröffnung. Zerstörung der Hauses 1943 durch heftige Bombardements auf München im Zweiten Weltkrieg. Wiedereröffnung 1963.
Nach dem II. Weltkrieg baut man kein Opernhaus in moderner Architektur, sondern entschließt sich den alten Opernbau von 1825 zu rekonstruieren. Die Bühne ist mit 2.500 Quadratmetern eine der größten der Welt. Der Zuschauerraum bietet 2.101 Plätze – und allabendlich die Freiheit für 2.101 individuelle Eindrücke, 2.101 verschiedene Emotionen, 2.101 unterschiedliche Meinungen, 2.101 eigene Hörerlebnisse...
Wolfgang Amadeus Mozart, Richard Wagner und Richard Strauss werden ob ihrer persönlichen Verbundenheit zur Münchner Oper als „Hausgötter“verehrt. Ihren Werken kam und kommt in exemplarischen Inszenierungen und musikalischen Interpretationen zu jeder Zeit ein besonderer Stellenwert zu.
Besonders die Werke Mozarts werden in München mit Beginn der Intendanz von Serge Dorny gepflegt. Unter dessen Prämisse „Ich bin nicht der Türhüter eines Mausoleums“ gelingt der Münchner Oper völlig neue Sichtweisen auf die Werke des Salzburger Genies und es etabliert sich in kurzer Zeit ein Mozart-Ensemble junger Sänger und Sängerinnen.
Die Bayerische Staatsoper versteht sich als ein Opern“theater“ jenseits des mainstreams und jenseits der Konventionen. Dies bringt ihr immer wieder höchstes Lob ein. Als eine der renommiertesten Auszeichnungen im internationalen Opernbetrieb gilt der Opera Award: 2023 triumphierte die Bayerische Staatsoper in München zum zweiten Mal seit 2018 als „Opernhaus des Jahres“. Obendrein wurde das hier, von Dmitri Tcherniakov neu inszenierte Werk Krieg und Frieden von Sergej Prokofjew als beste Opernproduktion ausgezeichnet.
Das Bayerische Staatsorchester feierte 2023 sein fünfhundertjähriges Bestehen.Es ist eines der ältesten und traditionsreichsten Ensembles der Welt. Das in der Bayerischen Staatsoper beheimatete Orchester wirkt mit seinen 144 Mitgliedern sowohl im Orchestergraben als auch auf dem Konzertpodium. 2022 wurde der Klangkörper zum achten Mal in Folge in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt zum Orchester des Jahres gewählt.
Bedeutende Generalmusikdirektoren prägten als Musikchefs der Münchner Oper zu allen Zeiten den die hohe Qualität des Bayerischen Staatsorchesters.
Ebenso arbeiteten singuläre Dirigenten wie Ferenc Fricsay, Sir Georg Solti, Claudio Abbado, Ricardo Muti, Rafael Kubelik, Lorin Maazel, Karl Böhm und vor allem Carlos Kleiber prägend an der Bayerischen Staatsoper.
Richard Strauss wurde 1864 in München geboren. Sein Vater war Hornist am Hof- und Nationaltheater in München; seine Mutter entstammte der Münchner Bierbrauer-Dynastie Pschorr (der auch Der Rosenkavalier gewidmet ist). Zu Beginn seines Künstlerlebens stand Strauss erstmals als Dirigent 1886 am Pult der Münchner Oper. Sein kompositorisches Schaffen war zunächst stark durch seine Bewunderung für Richard Wagner und Franz Liszt geprägt, weshalb man ihn der Spätromantik zurechnet. Frühe Tondichtungen der 1880er-Jahre u.a. Macbeth, Don Juan, Tod und Verklärung. Nach der Jahrhundertwende wendet sich Richard Strauss neben seinen Dirigiertätigkeiten verstärkt als Komponist der Oper zu. Mit der damals skandalösen Salome gelingt ihm 1905 ein erster außerordentlicher Erfolg. In dem österreichischen Dichter Hugo von Hofmannsthal findet Strauss in jener Zeit einen kongenialen Partner. Nach der ersten Zusammenarbeit (Elektra, 1909) wird Hofmannsthal die Libretti für weitere fünf Opern des Komponisten schreiben (u.a. für Der Rosenkavalier, Ariadne auf Naxos, Die Frau ohne Schatten, Arabella).
Der bürgerlich-konservative Mensch Richard Strauss ließ sich nach der Machtergreifung der Nazionalsozialisten (1933) als Künstler von den neuen Machthabern vereinnahmen und politisch gebrauchen. Der berühmteste deutsche Komponist wurde Präsident der Reichsmusikkammer, dirigierte in Bayreuth Wagners Parsifal (nachdem Toscanini aus Protest gegen die Nazis abgesagt hatte) und komponierte die Hymne zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Berlin 1936. Nach dem Tod Hugo von Hofmannsthals suchte Richard Strauss einen neuen Librettisten. Er fand ihn in dem jüdischen Dichter Stefan Zweig, der den Text zur Oper Die schweigsame Frau (1935) schrieb. Diese Zusammenarbeit ließ ihn bei den Nationalsozialisten allerdings verdächtig werden.
Die komplexe Künstlerpersönlichkeit Richard Strauss verortete viele seiner Opernsujets in der Vergangenheit: Der Rosenkavalier spielt zur Zeit der Österreichischen Kaiserin Maria Theresia, Arabella spielt in Wien der 1860er-Jahre, Ariadne wiederum im Rokoko-Stil. Auch Richard Strauss’ letzte Oper Capriccio, ein „Konversationstück für Musik“, spielt im Rokoko. Capriccio wird 1942 im Münchner Nationaltheater unter der Leitung von Clemens Krauss uraufgeführt.
Ein steter Blick zurück, als Flucht aus und vor der Gegenwart? Innere Emigration in eine Welt von Gestern? Nach dem Zweiten Weltkrieg lebt Strauss zumeist in seiner Villa in Garmisch-Partenkirchen. Zu seinen letzten großen Kompositionen zählen die Metamorphosen für 23 Solostreicher (1946) als Trauermusik auf das im Krieg zerstörte München und Vier letzte Lieder (1948). Richard Strauss stirbt 1949 in Garmisch im Alter von 85 Jahren.
Die Opern des Münchners und Weltbürgers Richard Strauss werden auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper besonders gepflegt. Zu jeder Zeit stellt sich die Münchner Oper dem Strauss’schen Werk auf’s Neue und stellt ihm aktuelle Fragen – zu jeder Zeit fallen die Antworten, die Interpretationen in ihrer Ästhetik anders aus.
Ankunft von Bacchus auf der wüsten Insel. Regie Rudolf Hartmann.
© Hanns Holdt
Zur Wiedereröffnung des Münchner Nationaltheaters in der Regie von Rudolf Hartmann
© Sabine Toepffer
Inszenierung Rudolf Hartmann mit Lisa della Casa als Arabella
© Rudolf Betz
1966 inszeniert von Günther Rennert
© Sabine Toepffer
Regie: Günther Rennert
© Sabine Toepffer
Die „Kultinszenierung“ von Otto Schenk und Carlos Kleiber im Bühnenbild von Jürgen Rose(1972). Diese Produktion begeisterte in ihrer szenischen Opulenz fast 50 Jahre das Publikum.
© Sabine Toepffer
Inszenierung Herbert Wernicke mit Marjana Lipovsek als Klytämnestra und Gabriele Schnaut in der Titelpartie
Inszenierung Robert Carsen
© W. Hösl
Regie: Barrie Kosky
© W. Hösl
Eine exzeptionelle Interpretation des Regisseurs Krzysztof Warlikowski mit Kirill Petrenko am Pult.
© W. Hösl
(Regie Andreas Dresen) mit Anja Harteros in der Titelpartie. Die Showtreppe blieb.
© W. Hösl
Verstörend klug in der Regie von Krzysztof Warlikowski.
© W. Hösl
Regie: Barrie Kosky, Dirigent: Vladimir Jurowski. Kluge Neuinterpretation!
© W. Hösl
Ariadne auf Naxos: Zwei Werke stehen auf dem Programm. Ein lustig leichtes Singspiel und eine ernste große Oper. Aus Gründen von „time management“ entschließt sich der Veranstalter, „der reichste Mann von Wien“, beide Stücke gleichzeitig zu spielen: Take two – pay one!
Die Künstler stehen nun vor der schwierigen Aufgabe das komödiantische „und“ das tragische Stück zur gleichen Zeit am selben Ort aufzuführen. Der Ort? Eine Insel, ihr Name Naxos: wüst, leer, unbewohnt.
Ist es dort also möglich, das lustige Intermezzo „Zerbinetta und ihre Liebhaber“ und die tragische Oper „Ariadne“ gleichzeitig zu spielen? Ja, wenn man muss. Der reichste Mann von Wien will es nämlich so. Er will Crossover! „Unterhaltung“ und „Ernst“ sollen gemischt werden – und es gelingt. Zur Freude des Publikums und zur Erkenntnis der Personen auf der Bühne.
Die Idee des Regisseurs der Inszenierung von Ariadne auf Naxos, Robert Carsen, ist so einfach wie plausibel: Die leere Bühne der Bayerischen Staatsoper ist die wüste Insel!
Um die wüste Insel / Bühne bewohnbar zu machen, sie also mit Leben zu füllen, muss man auf ihr Theater spielen. Dafür greift Regisseur Carsen, genau wie die Figuren der Richard Strauss-Oper „Ariadne auf Naxos“ zu den Mitteln des Theaters: Erst durch Kulissen, Masken, Kostüme, Requisiten, durch Theaterblut und Künstlerschweiss wird eine leere Opernbühne zu einer Insel der Illusionen.
Jede leere Opernbühne müsste Naxos heißen, denn jede leere Opernbühne ist eine wüste Insel – Erst wenn man auf ihr spielt, egal ob Tristan und Isolde oder Wozzeck, ob Le nozze di Figaro oder La Traviata, erst dann verwandelt sie sich zu einer „Insel der Illusionen“, zu einer Insel für Kunst und – manchmal – auch zur Insel einer besseren Realität.