"Das, was sein wird, ist unverkennbar immer schon da, genauso wie das, was gewesen ist, immer noch da ist …“

Prokofjews Zeit und Ewigkeit


Bild: Chloe Dewe Mathews

Text: Analena Weres

Analena Weres ist Musik- und Theaterwissenschaftlerin. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Oper des 19. und 20. Jahrhunderts, Librettoforschung und das zeitgenössische Musiktheater. Sie hat über das Werk unter anderem von Richard Wagner, Alban Berg, Nikolai Rimski-Korsakow, Alexander Borodin, Igor Strawinsky und Richard Strauss publiziert. Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet sie mit dem Regisseur Dmitri Tcherniakov.


 

Alle Theorien der Philosophie (seit Cartesius) haben den Fehler gemein, dass sie nur ein Bewusstsein des Selbst des Individuums (des sogenannten Subjekts) anerkennen, während das Bewusstsein gerade das Bewusstsein der ganzen Welt, des sogenannten Objekts, ist, so wie es außer Zweifel steht. – Der Mensch ist sich seiner selbst als der ganzen Welt bewusst, nicht-individuell, und gleichzeitig ist er sich seiner selbst als menschliches Individuum bewusst …

Lew Tolstoi, Tagebuch, 21. Juli 1870
 

Aber vielleicht wird das Verschwinden unserer Vorstellung von Zeit in der Ewigkeit dadurch ausgedrückt, dass wir die Möglichkeit erhalten, uns in der Zeit in beide Richtungen zu bewegen, und zwar mit beliebiger Geschwindigkeit. Diese Hypothese bestätigt meine Vermutung, dass das Gedächtnis ein Bestandteil der Unsterblichkeit (= unserer Ewigkeit) ist, denn gerade das Gedächtnis hat die Fähigkeit, sich in der Zeit in beide Richtungen und mit beliebiger Geschwindigkeit zu bewegen!

Sergej Prokofjew, Tagebuch, 18. Dezember 1926
 

Thomas Mann erinnerte sich in einem Text anlässlich des hundertsten Geburtstags von Lew Tolstoi daran, dass er während des Ersten Weltkriegs oft gedacht habe, ob dieser Krieg wohl auszubrechen gewagt hätte, würden die hellsichtigen grauen Augen des Alten aus Jasnaja Poljana noch auf die Welt blicken. Und fragt zugleich rhetorisch zweifelnd, ob eine solche Idee kindisch sei. Natürlich: Solch eine Idee ist Illusion. Ein Schriftsteller kann einen Krieg nicht aufhalten oder verhindern. Thomas Mann selbst hat dies nicht erreicht. Aber die Berufung auf den Namen und die Stimme von Tolstoi ist kein Zufall. Tolstoi hat mehr als die meisten anderen die menschenfeindliche Natur des Krieges, seine sinnlose Grausamkeit erkannt.

„Sie werden laufen, frieren, hungern, krank werden, an Krankheiten sterben und schließlich an einen Ort kommen, an dem sie zu Tausenden getötet werden, und sie werden zu Tausenden töten, ohne zu wissen warum, Menschen, die sie nie gesehen haben, die ihnen nie Schaden zugefügt haben und ihnen keinen Schaden zufügen können“, schrieb Tolstoi über den Krieg in seiner Streitschrift Patriotismus oder Frieden (1895), das dem kaiserlichen Ideologem des Patriotismus so sehr widersprach, dass es in Russland verboten und im Ausland gedruckt wurde (1896, Genf).

 

Von unbekannten Opfern

Viele Jahre später ist eine Paraphrase dieser Worte unter den vielen intertextuellen Verbindungen in Ossip Mandelstams Versen vom unbekannten Soldaten (1937) deutlich zu vernehmen, wo sie die Stimmung und das bürgerliche Ethos des Gedichts bestimmen: „Hungrige, gebrechliche Menschen werden sterben, verhungern, erfrieren“. Der Krieg ist das Gegenteil der eigentlichen Bestimmung des Menschen: „Soll der Schädel so entwickelt werden (…), dass die Truppen nicht umhinkönnen, in seine lieben Augenhöhlen zu strömen?“ Die Erinnerung an die Weltkriege, die in den napoleonischen Schlachten ihren Anfang nahmen (Mandelstam erwähnt Leipzig, Austerlitz, Waterloo), aktualisiert sich in der Erfahrung der Generation des Ersten Weltkriegs, der sowohl Mandelstam als auch Sergej Prokofjew angehörten (beide wurden 1891 geboren), und in der Vorwegnahme der Weltkatastrophe. Paradoxerweise verschwindet bei Mandelstam das Thema des „Feindes“ – das erste Thema eines jeden Krieges, weil er mit jemandem geführt wird. Die Technologien der Massenkriegsführung verwandeln den Teilnehmer von einem Akteur in ein Opfer, in eine Zielscheibe der Niederlage. Auf beiden Seiten der Schlacht sind nur „billige Tote“ zu sehen, Sieg und Niederlage verschmelzen im Raum des Himmels der „Großtötung“. Der Gedanke an sie ruft dazu auf, gegen den Krieg selbst als Missbrauch des Menschen zu protestieren. Die Stimme des Dichters in dem Gedicht, das er selbst als „Oratorium“ bezeichnete und das Nadeschda Mandelstam „ein Dithyrambus an den Menschen, an seinen Intellekt“ nannte, gilt den Unbekannten, den Toten „von Haufen und Haufen“, ohne Mitleid oder Erbarmen, ohne Zahlen, Eigenschaften oder Biografien, deren Leben unterbrochen und unterentwickelt ist, deren Entwürfe nicht verwirklicht werden und deren Namen ausgelöscht sind.

In Tolstois Buch Krieg und Frieden ist die Idee des Krieges als „kumulatives Verbrechen“ deutlich hörbar, insbesondere in der Argumentation von Fürst Andrej. „Krieg ist Mord“, diese Überzeugung prägt er in einem Gespräch mit Pierre am Vorabend der Schlacht von Borodino, in der er tödlich verwundet werden wird. Im Roman ist Fürst Andrej eine der zentralen Figuren, in Prokofjews gleichnamiger Oper ist er die Hauptperson, das Alter Ego des Komponisten: Mit seinen Worten beginnt das Werk. Selbst als der allmächtige Parteifunktionär Michail Chraptschenko, Vorsitzender des Komitees für die Künste, Prokofjew anwies, nicht mit einer „intimen Szene“ zu beginnen, blieb er bei seiner Dramaturgie und fügte lediglich eine Choreinleitung hinzu (die er jedoch vor dem zweiten Teil zu spielen empfahl, wie es auch in unserer Aufführung geschieht). Eine betont persönliche, individuelle Sicht auf den Protagonisten war für ihn offensichtlich von grundlegender Bedeutung.

Otradnoje: „Es ist egal, ob ich existiere oder nicht“

„Heller Frühlingshimmel … Ist es denn nicht eine Täuschung? Gibt es denn Sonne, Frühling und Glück?“ Fast abstrakt scheint dieser Gedanke, dem Andrej hier Worte verleiht; ein so weit entferntes Thema ist die Sonne. Für Prokofjew aber lag er nahe, verdankt doch sein Geburtsort Sonzewka im heutigen Donbass seinen Namen der Sonne. Im Prokofjews Nachlass ist ein merkwürdiges Album erhalten geblieben, gebunden zwischen zwei Holzplatten mit einem exquisiten Metallverschluss. In diesem „Holzbuch“ genannten Album sammelte Prokofjew Autogramme seiner Bekannten, berühmter und weniger berühmter, mit ihrer Antwort auf eine einzige Frage: „Was hältst du von der Sonne?“ Schon in den ersten Worten der Oper ist es, als würde Fürst Andrej seine Antwort in Prokofjews Album schreiben: Er hält die Sonne für eine Täuschung, einen Betrug. Eine paradoxe These, als wolle sie in das kopernikanische Weltsystem eingreifen. Wie können die Sonne, ein astronomischer Körper, und der Frühling ein Schwindel sein? Doch Prokofjew war Anhänger der Christian Science – und die Christlichen Wissenschafter stellten die materielle Realität, ja sogar den Tod selbst radikal in Frage. Aber Fürst Andrej spricht nicht über die physische Realität des astronomischen Körpers. Die Sonne und der Frühling sind für ihn eine Metapher für Glück und Liebe, die ihm – nach seiner schweren Verwundung auf dem Schlachtfeld, dem Tod seiner Frau und dem Zusammenbruch seiner Ideale und Ambitionen – für immer verschlossen scheinen.

Am Ende der Szene hat sich seine Weltsicht bereits geändert: „Nein, das Leben ist nicht zu Ende mit einunddreißig Jahren, es wird nicht unnütz verstreichen. Man muss von ganzem Herzen an die Möglichkeit des Glücks glauben. Man muss an den Frühling und an die Freude glauben, um glücklich zu werden!“ Dieser Wandel scheint sich nur allzu schnell zu vollziehen. In einem realistischen Roman dauert die geistige Wiedergeburt viele Stunden, Tage und sogar Monate. Im Libretto fasst Prokofjew mehrere Episoden des Romans zu einer einzigen zusammen. Keine psychologische Erfahrung im Wagner’schen Sinne, sondern ein intensiver Moment analytischer Geistesarbeit, der für unsere Ohren sicht- und wahrnehmbar ist. In den mentalen Techniken der Christlichen Wissenschaft wie auch in der Kreativität sah Prokofjew die Möglichkeit, die empirische Realität der linearen Zeit zu überwinden, um die Ewigkeit in einem intensiven Augenblick zu sehen. Es gibt diese Momente, in denen man eine höhere Wirklichkeit entdeckt – in der Liebe, in der schöpferischen Tätigkeit, im Sterben. Und eben im Krieg, würde Tolstoi hinzufügen. Was Fürst Andrej widerfährt, ist die Art von geistigem Wendepunkt, den Tolstoi (mit der ursprünglichen griechischen Bedeutung des Wortes) „Epoche“ nennt. So plötzlich sie sich zu ereignen scheint, hat doch das ganze vorangegangene Leben darauf hingearbeitet.

Prokofjew begriff den Moment der psychischen Wende als eine komplexe und perfekte logische Konstruktion. Er komponierte die Szene als Schachspiel (er war ein begeisterter Schachspieler; einmal schlug er sogar den Weltmeister José Raúl Capablanca, worauf er sehr stolz war): Natascha setzt mit demselben Thema ein, mit dem Fürst Andrej begonnen hat, und zwar in denselben Tonarten wie er, nur in umgekehrter Reihenfolge. Sie beginnt, indem sie sein Hauptthema notengetreu aufgreift, in D-Dur, dann in C-Dur (wie in der Orchestereinleitung), dann in Es-Dur, wie in Andrejs erster Einsatzstelle. Andrej meint, dass es ihr egal sei, ob er existiere oder nicht, aber tonal und thematisch antwortet sie ihm und widerlegt durch die Existenz und den Klang ihrer Stimme seine Ängste und Zweifel. Sie gibt ihm die Antworten, die er schon lange sucht und dringend braucht. Sie beginnt mit seinem Thema, emanzipiert sich dann aber und erlaubt ihm, seine Gedanken von außen zu sehen und zu überprüfen. Das tonale Schema führt über die anhaltende Dominante zum Schlusssatz seines Ariosos und legitimiert damit musikalisch diesen plötzlichen Bewusstseinswechsel. Das gesamte Bild wird von der stichfesten Logik der musikalischen Entwicklung gesteuert, das heißt vom Willen des Autors, der auf den Protagonisten projiziert wird, der in vielerlei Hinsicht ein Identifikationsmodell für den Autor ist.

Schon die ersten Worte der Oper, „der lichte Frühlingshimmel“, stehen im Zusammenhang mit dem Krieg. Der Himmel verweist auf die Vergangenheit – es ist der Himmel von Austerlitz, wie ihn Fürst Andrej am Rande des Todes sah, als er schwer verwundet auf dem Schlachtfeld lag. Und das Licht verweist auf die Zukunft, wenn er im Delirium, vor seinem Tod, in Mytischtschi eine luftige Konstruktion aus Nadelstrahlen sehen wird – ein Gebäude, das sich über seinem Gesicht erhebt, eine paradoxe architektonische Metapher für das kristallisierte Licht. Dieses Bild der „Kathedrale der übersinnlichen Kristalle“ taucht in den Gedichten von Ossip Mandelstam auf, die zur selben Zeit wie die Verse vom unbekannten Soldaten entstanden sind. Dort markiert es die existenzielle Situation, die der Dichter als „Knoten des Lebens“ bezeichnet.

 

Aus der Serie SHOT AT DAWN der Fotografin Chloe Dewe Mathews.

(1) Soldat Jean Raes, Soldat Alphonse Verdickt. Uhrzeit unbekannt / 21.9.1914. Walem, Mechelen, Flandern.
(2) Soldat Lucien Jean Baptiste Bersot. Uhrzeit unbekannt / 13.02.1915. Fontenoy, Aisne, Picardie .

Borodino: Eine Wende

Nach dem ersten Bild in Otradnoje verschwindet Andrej für lange Zeit und tritt erst zu Beginn des „militärischen“ zweiten Teils, im achten Bild, wieder auf (die Ballszene wurde erst in der späten, vierten Fassung der Oper von 1946 hinzugefügt). Aber hier ändert sich die Optik radikal. Anstelle eines Hauses gibt es eine Freifläche. Alles ist verschoben, aus dem Zusammenhang gerissen: Statt der Substantive des ersten Bildes (Himmel, Frühling, Sonne) finden sich fortlaufende Verben der Bewegung und Aktion. Die Szene ist überreichlich gefüllt – Milizionäre, Flüchtlinge, Soldaten, ganze Regimenter bewegen sich mit einem für den Beobachter verborgenen Ziel. Diese Extensität wird durch den Geist und den Buchstaben des Romans legitimiert. Die Statistik der großen Zahlen und die Verben der Bewegung bestimmen den Diskurs auf den ersten Seiten der Beschreibung des Beginns der Kriegsereignisse („Millionen von Menschen … bewegten sich“) bei Tolstoi und die Prinzipien der musikalischen Dramaturgie der ersten Kriegsszene bei Prokofjew. Eine solche Optik entpersönlicht: Auch, wenn das Libretto Namen aus dem Roman enthält (Tichon, Matwejew, Trischka, Fjodor), werden sie in der Oper ihres individuellen Profils beraubt und stehen jenseits der Schwelle zur persönlichen Identifikation.

Geschichte und Geographie griffen in die Operndramaturgie ein. Die Analyse der zahlreichen Überarbeitungen, die Prokofjew in den vielen Jahren seines Schaffens vorgenommen hat, ermöglicht es nachzuvollziehen, mit welcher Logik er das umfangreiche Material der Romanerzählung in einer einzigen Komposition zusammengefasst hat. Wie bereits in Otradnoje kombiniert der Komponist eine ganze Reihe von Episoden aus dem Roman, indem er den linearen, unidirektionalen Zeitfluss in einen multidimensionalen Augenblick umformt. Die Ereignisse des August 1812 überschneiden sich: die Kapitulation von Smolensk, das Stadtfeuer, die Flüchtlingsströme auf der sonnengetrockneten, verstaubten Bahn, die Errichtung von Befestigungsanlagen bei Borodino, der Marsch der Truppen zu ihren Stellungen und der Beginn der Schlacht. Die Schnitttechnik komprimiert und verschränkt Zeit und Raum: Die Flüchtlinge aus Smolensk werden durch die auf Borodino ziehenden Truppen ersetzt, die Soldaten „graben den Boden auf“ am Vorabend der Schlacht, aber in den Anfangszeilen („Los!“) sind sie bereits in der Hitze der Schlacht dabei, mit kollektiver Kraftanstrengung die Kanone zu schieben – „alle in einem Zug“. Auf diese Weise entsteht das Hauptmotiv der Szene – sich zusammenzutun, „mit dem ganzen Wesen in dieses gemeinsame Leben einzutreten“ (Pierre) und „das überflüssige Ich“ (Mandelstam) zu vergessen.

Das Ort des Geschehens nach Prokofjews Buhnenanweisung ist die berühmte „zentrale“ oder „schicksalhafte“ Redoute von Rajewski („redoute fatale“), die von den Franzosen wegen der enormen Zahl der Opfer an diesem (Schlüssel-)Punkt der Schlacht so genannt wurde. An ihrem 25. Jahrestag (1837–39) wurde an diesem Ort ein Denkmal errichtet, auf dem die Anzahl der beiden kämpfenden Armeen und die Zahl der Opfer auf beiden Seiten festgehalten wurden (das Denkmal wurde 1932 unter dem Sowjetregime gesprengt, als nicht historisch wertvoll). Diese Zahlen wurden zu spät berechnet und zu großzügig gerundet, so dass viele, wie der Künstler Wassili Wereschtschagin, Zweifel an ihrer Genauigkeit äußerten. Vor der Schlacht können die Protagonisten der Oper diese Zahlen nicht ahnen. Im Roman aber teilt ein vorbeikommender Arzt Pierre seine Prognose mit – und Pierre wird klar, dass von den Männern, die er lächelnd und scherzend trifft, nur wenige die Schlacht überleben werden. Die Technologie des Artilleriekriegs macht den Soldaten zur Zielscheibe. Die Entscheidung, die sowohl Pierre („ein Splitter… ein Soldat zu werden“) als auch Andrej (zum Regiment zurückzukehren, anstatt sicher im Hauptquartier zu bleiben) in dieser Szene treffen, besteht darin, ein gemeinsames Schicksal und den „Großtod“ zu akzeptieren.

Die neue Optik des epischen Freskos schafft eine komplexe Panoramakomposition – eine Konstruktion der dynamischen Interaktion und des Ausgleichs zwischen dem Persönlichen und dem Kollektiven in ihrer Verbindung miteinander und ihrer Entfremdung voneinander in einem einzigen sich entfaltenden Moment der szenischen Zeit. Jedes Element der Komposition hat seine eigene Funktion in dem analytischen Spiel. Denissow verkündet die Doktrin des „skythischen“ Krieges, illustriert durch den Chor der Flüchtlinge. Die Soldaten in weißen Hemdsärmeln (also symbolisch zum Tod bereit), die einen Schützengraben ausheben, stehen als Zeichen für den kollektiven Tod „in Gedränge und Haufen“.

Andrejs Funktion in dieser Komposition ist integrativ. Der Text des achten Bildes ist ein Ineinandergreifen von Repliken und Episoden dreier seine Begegnungen am Vorabend der Schlacht von Borodino; die Begegnung mit Pierre ist in die Rahmenepisode von Andrejs Begegnung mit Kutusow eingebaut, wo Andrej am Tor der Residenz des Feldmarschalls auf Denissow trifft, während er auf Kutusow wartet, der von der Parade zurückkehrt.

Nach Prokofjews später, durch die Christliche Wissenschaft geprägten Ästhetik, wie Leon Botstein sie formuliert, spielen nur zwei zeitliche Erfahrungen eine Rolle – der Augenblick und das Zeitlose. Die empirische lineare Zeit, die wir im realen Leben mit der Uhr messen, sei ein illusorisches Konstrukt des Materialismus und sollte transzendiert werden; hingegen sei die Erinnerung, die Vergangenheit und Zukunft manipuliert, ein Instrument zur Überwindung der Begrenztheit und Eindimensionalität der Zeit. Die Zeit, meinte Prokofjew, ist multidimensional und kann sich in jede Richtung bewegen.

Das gesamte vielschichtige, komplex konstruierte achte Bild ist Fürst Andrejs Augenblick. In seine Figur sind die unterschiedlichen Ereignisse vereinigt, die er mit seinem Blick und mit seinen Sinnen wahrnimmt. Dieser Moment wird in der Partitur durch den Kanonenschuss zu Beginn der Schlacht in den letzten Takten der Szene bei Andrejs Worten „Hier ist es“ fixiert, synchronisiert mit Momenten aus der Vergangenheit (der Ruhm bei Austerlitz) und der Zukunft (die tödliche Verwundung durch einen ähnlichen Kanonenschuss bei Borodino) und erfüllt von der Gegenwart.

„Der Brand von Smolensk und der Rückzug wurden zu einer Epoche für Fürst Andrej“, schreibt Tolstoi. Epoche bedeutet hier wirklich eine Wende. Von der Straße nach Smolensk, die durch die Bewegung von Zehntausenden von Fußgängern zu Staub zertrümmert wurde, wendet sich Andrej, der den Beschuss und die Brände von Smolensk und die ungeordnete Flucht der verzweifelten Zivilisten miterlebt hat, in Richtung der Kahlen Berge ab – zum Landgut seiner Eltern, wo er seine Kindheit verbrachte – und besucht sein zerstörtes Haus. Das Persönliche und das Allgemeine kommen in dieser Wende zusammen.

Die Peripetie der Szene bildet der Zusammenstoß einer abstrakten Taktik (vernommen aus einem Gespräch zweier deutscher Generäle: „Der Krieg muss im Raum verlegt werden“), die das einzelne menschliche Leben als vernachlässigbar außer acht lässt, mit den wechselseitigen offenen menschlichen Emotionen von Trauer und Wut („Im Raum wurde ich mit meinem Vater zurückgelassen, der vor Kummer starb“). Bereits in der ersten Fassung wird das musikalische Thema dieses Ariosos von Fürst Andrej in die Orchestereinleitung übernommen und bestimmt das musikalische Bild der Szene. Die Entwicklung des musikalischen Themas von Fürst Andrej ist bemerkenswert. In der zweiten Überarbeitung, die noch 1942 erfolgte und die Kommentare der Parteiideologen Michail Chraptschenko und Semjon Schlifstein sowie Gespräche mit Sergej Eisenstein berücksichtigte, erweiterte Prokofjew das Panorama des achten Bildes. In der hinzugefügten Flüchtlingsepisode wird das Thema von Andrejs Arioso dem Chor zugewiesen. Der Text des Chors („schwarzer Rauch“, „Smolensk brennt“, „Häuser und Dächer stürzen ein“ und weitere Details der großen Katastrophe) ist aus den Eindrücken von Fürst Andrej montiert. Dieses Thema nimmt einen monumentalen Charakter an. Gleichzeitig wird aber auch die persönliche Emotion des Helden enteignet und verallgemeinert. Die individuelle Erfahrung löst sich in einem gemeinsamen Chor auf.

 

Aus der Serie SHOT AT DAWN der Fotografin Chloe Dewe Mathews.

(1) Soldat Joseph Pascal, Soldat Lucien Joseph Royer, Soldat Édouard Jules Sayer, Soldat Jean Pierre Soulier. 08:00 / 5.9.1914.  Les Rouges-Eaux, Vogesen, Lothringen.

(2) Private William Smith. 06:30 / 14.11.1917. Grundschule, Reningelst, Westflandern.

Krieg als Spiel

Die umfangreiche dramaturgische Strategie ist verständlich: Der Krieg wird in aller Wirklichkeit in den Raum verlegt. In den namenlosen deutschen Generälen erkennt Fürst Andrej Carl von Clausewitz wieder, der in diesen Jahren in russischen Diensten stand. Die Worte sind der Abhandlung Vom Krieg entnommen, die Tolstoi sorgfältig studierte. Clausewitz betrachtet das Verhältnis von Kalkül und Zufall bei der Kriegsplanung und führt zusätzliche Parameter für die Durchführung einer militärischen Aufgabe ein. Die drei Parameter, von denen Clausewitz spricht, stehen genauso bei Prokofjew im Mittelpunkt: Topographie, Versorgung und Moral. Diese Parameter verleihen dem Kriegsspiel einen neuen Grad an Komplexität. Der Krieg als Kunst, der Krieg als Spiel, ist ein fester Bestandteil des Diskurses und der Mode der napoleonischen Ära. Nicht nur Traktate für Profis, sondern auch Spiele für Amateure zum Zeitvertreib in häuslicher oder freundschaftlicher Runde sind weit verbreitet. In der Regel wird das Modell des Schachspiels als Grundlage genommen. Der französische General Joseph Vicomte de Rogniat geht in seinen Considérations sur l’art de la guerre (1815) vom Modell des Schachspiels aus, weist aber darauf hin, dass ein echtes Kriegsspiel nicht mehr in modo geometrico, auf gleichmäßig verteilten Feldern des Schachbretts, gespielt werden kann, da die Topographie des Geländes Verzerrungen mit sich bringt. Ludwig Hellwig entwickelt und veröffentlicht den Versuch eines aufs Schachspiel gebauten taktischen Spiels von zwei und mehreren Personen zu spielen (1780), bei dem die Geländetopographie und die Lagerhäuser in die Bedingungen einbezogen werden. Auch die schlichte räumliche Ausweitung des Feldes der Kriegsführung hatte einen bedeutenden Effekt: Das anonyme Le Jeu de la guerre, ou raffinement du jeu des echecs zum Beispiel bietet eine Erweiterung des Schachbretts auf 121 Felder. Bonaparte nutzte die Schachmetapher für seine Schlachtplanung. Aber die unzähligen Faktoren erschwerten das Spiel so sehr, dass er es nicht zu Ende spielen konnte.

Es genügt ein einziges Codewort im Libretto mit einer doppelten Identität (auf ihn persönlich und auf die Handlung bezogen), um sein Interesse zu entschlüsseln: die „Skythen“. Dies war das Identitätsmodell für Prokofjew in seinen jungen Jahren, als er – beauftragt durch Serge Diaghilews Ballets Russes – Paris zu erobern versuchte: mit dem Ballett Ala und Lolli, aus dem er kurz darauf die Skythische Suite arrangierte. Dieser Begriff bezeichnet in ähnlicher Weise das Feindbild in Bonapartes Kriegsspiel. Das „Skythentum“ kennzeichnet die unermessliche Weite, in die die französische Armee hineingezogen wird, mit außereuropäischen Wetterverhältnissen, in denen nicht nur der Frost (Schneesturm im letzten Bild), sondern auch die Gluthitze der Sonne (Flüchtlingschor im achten Bild) gegen die menschliche Natur kämpfen. Der Krieg erobert den Raum, breitet sich aus wie die Elemente, mit der Geschwindigkeit des Feuers oder eines „Orkans“, wie Wassili Denissow meint, als er Fürst Andrej die Logik des Partisanenkriegs erklärt.

 

„Sein eigenes Fehlen inmitten dieses Lebens zu spüren“

In der Oper selbst findet keine Schlacht statt. Es gibt keine großen Schlachtszenen wie die Eisschlacht aus Alexander Newski von Prokofjew selbst, Tschaikowskis Ouvertüre 1812 oder „Die Schlacht am Kerschenez“aus Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch von Prokofjews Konservatoriumslehrer Nikolai Rimski-Korsakow. Alle wichtigen militärischen Ereignisse finden außerhalb der Oper statt. Im Finale reicht ein kleines Scharmützel zwischen einer Nachhut der französischen Armee und einer Abteilung von Partisanen für die rezitativisch erzählte Befreiung der Hauptstadt. Der Krieg besteht nicht aus Siegen und Heldentaten, sondern aus der Erfahrung von Mühsal und Entbehrungen, der schrecklichen Alltäglichkeit von Schmerz und Tod.

Die Oper wurde in der Zwischenkriegszeit der 1930er Jahre geschrieben; die ersten Skizzen datieren vom April 1941, als der Krieg noch nicht nach Russland gekommen war, die erste Fassung wurde im September 1942 fertiggestellt – vor dem Ende der Schlacht von Stalingrad, vor den anderen großen Schlachten und Siegen. Der militärische Sieg ist zur Zeit der Entstehung der Oper nur ein Hoffnungsbild, und in die erste Version wirkt der Auftritt von Feldmarschall Kutusow im Finale mit seinen Sprüchen und Witzen eher wie ein Deus ex machina.

Der Schwerpunkt liegt auf der vorangegangenen Szene – dem Tod von Fürst Andrej, dem dramaturgischen Mittelpunkt der Oper. Von dieser Szene an ging Prokofjew, nach den Erinnerungen seiner Frau Mira Mendelson, an die Arbeit. Die Änderungen gegenüber dem Roman sind hier erheblich. Im Roman durchläuft Fürst Andrej einen langen Prozess des Übergangs und der Verwandlung, der aus drei Stationen besteht, die sogar geografisch voneinander getrennt sind: die Verwundung bei Borodino, das Treffen mit Natascha in Mytischtschi, der Tod in Jaroslawl, umgeben von geliebten Verwandten – Natascha, seiner Schwester Marja, dem Sohn Nikoluschka. In der Oper gibt es keine verklärte Szene in Jaroslawl. Alles, was bleibt, ist die dunkle Hütte in Mytischtschi, wo Andrej im Delirium Natascha erblickt. Ihr Erscheinen weckt in ihm, wie in Otradnoje, Liebe und Lebenslust. „Sein eigenes Fehlen inmitten dieses Lebens“, das er so eindringlich am Vorabend der Schlacht bei Borodino sich vorstellt, das er so ausführlich reflektiert, wird ihm plötzlich unerträglich; er glaubt, dass die Liebe den Tod verhindert. Doch ein Gedankenexperiment wird Wirklichkeit; der Tod stellt sich als real heraus. Neuerlich kehrt das schlimme Delirium zurück, seine Rede wird auf halbem Wege unterbrochen, und die Schlussszene beginnt unmittelbar. Die Handlung vollzieht eine Wende und kehrt auf die Smolensker Landstraße zurück; er glaubt, dass die Liebe den Tod verhindert. Doch der Tod stellt sich als real heraus. Erneut kehrt das schlimme Delirium zurück, seine Rede wird auf halbem Wege unterbrochen, und die Schlussszene beginnt ohne Unterbrechung. Andrej verschwindet wie Natascha einfach aus dem Blickfeld. Ihr Schicksal wird sparsam in einem rezitativischen Zeilenaustausch vor dem Finale erwähnt, wo es keinen Platz für sie gibt. Der Tod des Protagonisten wird aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt. Die Arbeit der Trauer bleibt unvollständig. Diese Lücke fällt umso mehr auf, wenn man sie mit der literarischen Vorlage und mit den Gattungsmodellen des Musiktheaters vergleicht, und zwar sowohl mit den russischen (z. B. das in das Bild des universellen Jubels eingefügte Familienterzett im Finale von Michail Glinkas Leben für den Zaren) als auch mit den westlichen (z. B. der Trauermarsch und Brünnhildes Klage über Siegfrieds Tod in Richard Wagners Der Ring des Nibelungen).

In Prokofjews Oper wird die individuelle Trauer durch die kollektive Emotion verdrängt. Es fällt schwer, die düstere Symbolik nicht das eigene Schicksal des Komponisten zu sehen: Er starb am selben Tag wie Josef Stalin in einem kleinen Zimmer einer Gemeinschaftswohnung im vierten Stock eines Hauses in der Gasse des Theaters der Künste (heute Bolschoi Kamergerski) an der Rückseite der Säulenhalle des Hauses der Gewerkschaften, wo anderthalb Millionen Menschen dem Führer die letzte Ehre erweisen wollten. Alle Kränze und Blumen in der Stadt wurden für die Trauer um den Führer gepflückt. Die wenigen, die kamen, um sich von Prokofjew zu verabschieden, brachten von zu Hause Zimmerpflanzen in Blumentöpfen mit. Die kollektive Trauer um den „Vater der Völker“ lässt das Persönliche buchstäblich und sichtbar in den Hintergrund treten.

 

Aus der Serie SHOT AT DAWN der Fotografin Chloe Dewe Mathews.

(1) Soldat Eugène Bouret, Soldat Ernest François Macken, Soldat Benoît Manillier, Soldat Francisque Pitiot, Soldat Claudius Urbain, Soldat Francisque Jean Aimé Ducarre. 06:30 / 7.9.1914. Vanémont, Vogesen, Lothringen.

(2)  Private Henry Hughes. 05.50 / 10.4.1918. Klijtebeek-Bach, Dikkebus, Ieper, Westflandern.

 

Epoche ohne Helden

Die Oper wurde in ihrer ersten Fassung im September 1942 fertig gestellt, noch vor dem Sieg im Zweiten Weltkrieg und der Bildung der offiziellen Ideologie der Sieger. Das doppelte ideologische Konstrukt des späten Stalinismus nahm allmählich Gestalt an: der weise Führer und das monolithisch geeinte Volk als Träger der mystischen Wahrheit, opferbereit, unendlich geduldig, alles überwindend. Dieses Konstrukt hatte mit den ursprünglichen Absichten des Komponisten, wie sie in der ersten Fassung der Oper festgehalten sind, wenig gemein und erforderte erhebliche Überarbeitungen und Ergänzungen in einzelnen Szenen (beispielsweise der Rat bei Fili) und der allgemeinen Dramaturgie. Der Opernfeldmarschall unterscheidet sich immer weniger vom literarischen und filmischen Bild des „Führers der Völker“, wie er beispielsweise in Pjotr Pawlenkos Roman Im Osten (1937) erscheint, wo Stalin in einem Moment der Kriegsausbruch aus dem Kreml zum Bolschoi-Theater kommt, „um zusammen mit Moskau zu sein“: „Seine ruhevolle Gestalt, in einem eng zugeknöpften einfachen Mantel, mit einer Mütze mit zerknittertem Schirm, war so einfach und zu Tränen rührend …“. (Pawlenko war ein erfolgreicher Schriftsteller, Träger des Stalin-Preises, und Drehbuchautor von Sergej Eisensteins Film Alexander Newski von 1939, für den Prokofjew die Musik komponierte.)

Die kompositorische Bearbeitung hielt nicht mit dem Wandel der Ideologie Schritt. Da die Veränderungen schmerzhaft waren, verliefen sie langsam und waren jedes Mal unzureichend. Es gibt keine abschließende Fassung, die die Idee des Autors von der auferlegten trennt; Prokofjew hat seine Oper nie als Ganzes auf der Bühne gesehen. Die 1958 veröffentlichte Partitur ist eher eine Zusammenstellung des größtmöglichen Umfangs, die in verschiedenen Jahren und mit unterschiedlichen Absichten geschrieben wurde.

Dieses künstlerische Palimpsest erfordert ein Nachdenken, keine Verurteilung (als Kollaboration mit dem Regime) oder Verherrlichung (als Akt des kreativen Widerstands) durch die moralischen Positionen unserer Zeit. Michail Gasparow unternahm in seiner Monographie über Ossip Mandelstams Verse vom unbekannten Soldaten und seine Odean Stalin einen solchen Versuch, die staatsbürgerliche Position des Autors auf der Grundlage seines Werkkontextes zu rekonstruieren. Das Ergebnis ist komplex und unerwartet, aber es schärft unser Verständnis nicht nur für den künstlerischen Text, sondern vor allem für uns selbst. Die Oper von Prokofjew wartet noch auf eine solche Untersuchung.

In der radikalen Reduktion und Montage, mit der Prokofjew den Roman in sein Libretto umwandelte, veränderte er Dramatik und Konzept erheblich. Darin spiegelt sich die Sicht eines Mannes seiner Generation – der den Ersten Weltkrieg ebenso erlebt hat wie die Vorkriegshysterie der 1930er Jahre, den Aufbau eines totalitären Regimes und die gigantischen tektonischen menschlichen Katastrophen des Anfangs und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Tolstois Vorstellung vom alles erobernden Leben, das immer seinen Lauf nimmt, hat für die Oper keine Gültigkeit. Das Leben selbst ist bedroht, nur der Tod ist endgültig. Die Verwandtschaft, die den Roman in der Verflechtung der beiden verzweigten Familien durchdringt, wird in der Oper entweder abgeschnitten (so wird Natascha in der Oper ihrer Mutter und ihrer Brüder Nikolenka und Petja, denen sie im Roman so vertrauensvoll nahesteht, beraubt) oder deaktiviert (Andrej hat nicht nur keine gemeinsame Szene mit seiner Schwester und seinem Vater, er spricht überhaupt kein Wort mit ihnen). Die Atomisierung und Entmenschlichung des Menschen, die die Partitur mit großer Eindringlichkeit und Bewusstheit festhält, wären im 19. Jahrhundert unvorstellbar gewesen. Der Tod des Protagonisten findet vor unseren Augen statt. Die individuelle Persönlichkeit erscheint überflüssig und verschwindet im allgemeinen Chor. Das Werk entspringt dem Willen des Autors und wird als staatlicher Auftrag durch den kollektiven ideologischen Steuerungseinfluss geprägt – zunächst personifiziert (die Funktionäre des Komitees für die Künste, Chraptschenko und Schlifstein), dann zunehmend erweitert und anonymisiert. Die Reaktion des Autors beschränkt sich auf einen verzweifelten Schrei an seine Frau: „Ich verstehe gar nichts!“ – wie Mira Mendelson in ihren Erinnerungen an die Reaktionen auf die vielen vernichtenden öffentlichen Diskussionen über seine Werke und das Aufführungsverbot überliefert. Für Prokofjew war dieser Verlust der künstlerischen Kontrolle besonders schmerzlich. Das Kunstwerk reflektiert eine Realität, in der die totale Zerstörung des Individuums vollzogen wird. Das ideologische Konstrukt des Führers und des Volkes nimmt allmählich durch die Bemühungen vieler Künstler Gestalt an, die wie Prokofjew von ihrem Milieu beeinflusst wurden. Prokofjews Oper reflektiert eine der Etappen in der Entstehung dieses Konstrukts, das für den Helden und den Autor vernichtend und für das Volk selbstmörderisch ist, da es nicht in sein mythologisiertes Bild passt und an der Realität zerbricht.

Die Serie „Shot at Dawn“ der Britischen Fotografin Chloe Dewe Mathews konzentriert sich auf die Orte, an denen zwischen 1914 und 1918 britische, französische und belgische Truppen im Ersten Weltkrieg wegen Feigheit und Fahnenflucht hingerichtet wurden. Jedes Bild ist so nah wie möglich an der genauen Tageszeit und Jahreszeit aufgenommen worden, zu der die Hinrichtungen stattfanden. Zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung wurden diese Soldaten für ihre Feigheit gebrandmarkt, ihre Existenz im kollektiven Gedenken vergessen.

Krieg und Frieden (Woina i mir)

Hintergründe zum Stück