AB: Gibt es auch eine Nomenklatur wie im klassischen Ballett?
AS: Unsere Nomenklatur basiert auf Sanskrit, genauer gesagt auf dem Natyashastra, einem in Sanskrit verfassten Buch, das sich mit der altindischen Tradition der darstellenden Künste beschäftigt. Jede Haltung, jede Geste ist hier festgeschrieben. Für uns ist es wie eine Bibel des Tanzes. Aber wir arbeiten auch mit Zahlen, die Rhythmusmuster und Zählungen angeben, und diese Zahlen bedeuten überall auf der Welt das Gleiche. Wenn wir zum Beispiel "drei" sagen, meinen wir Trishra, wenn wir "7" sagen, meinen wir Mishra, eine ganz bestimmte Art, bis drei oder 7 usw. zu zählen, die überall auf der Welt gleich ist. Es ist also eine Kombination aus Begriffen und Zahlen. Beim nicht-narrativen Tanz geht es um Rhythmus und Zyklen, die sich an den Zählungen orientieren und mit bestimmten markanten Endzählungen enden. Für den expressiven, emotionalen Teil haben wir Handgesten, die Mudras genannt werden, Fußarbeit, Kopf-Augen-Hals-Bewegungen, jede einzelne Bewegung wurde in Sanskrit beschrieben und hat einen Namen, der für jeden, der Bharathanatyam studiert und lernt, universell ist.
AB: Die Bewegungen sind kodifiziert, haben eine bestimmte Bedeutung: Sollte der Zuschauer die auch lernen, um indischen Tanz verstehen zu können?
AS: Letztlich geht es im Tanz immer um Emotionen. Ich nutze bestimmte Gesten und Bewegungen, aber was zählt, ist, was wir emotional damit ausdrücken.
Der emotionale Faktor spielt eine immense Rolle im klassischen indischen Tanz.
Es mag vielleicht manchmal helfen, wenn man sich etwas auskennt, zumindest was die Geschichte angeht, die dargestellt wird. Aber wenn der Zuschauer, unabhängig von seinem Wissen über Haltungen und Handbewegungen, die Geschichte versteht, dann haben wir einen guten Job gemacht.
AB: Wo treten die Tänzer:innen denn auf?
AS: Es gibt sehr viele verschiedene Orte, an denen Tanz gezeigt wird. Es gibt große Auditorien, kleine Theater, auch der so genannte Living room dance ist etwas, das sich gerade für ein intimes Publikum entwickelt. Auch das Kulturministerium in Indien entwickelt viele Programme, es gibt zahlreiche Programme das ganze Jahr über.