Hilfe! Alptraum.
über das Wissen zu Alpträumen und dem Therapieprinzip
Text von Michael Schredl
WAS SIND ALPTRÄUME?
Unter einem Alptraum wird ein Traum verstanden, der so starke negative Gefühle – Angst, Ekel, Trauer, Ärger – enthält, dass er zum Erwachen führen kann. Typische Themen sind: Verfolgung, Fallen ins Bodenlose, Gelähmtsein, Zuspätkommen und Verletzung oder der Tod nahestehender Personen. Häufig treten Alpträume in der zweiten Nachthälfte auf (hier treten längere und intensiviere REM-Phasen auf) und werden gut erinnert. Der so genannte „Pavor nocturnus“ (Nachtschreck) wird von den Alpträumen unterschieden. Beim „Pavor nocturnus“ handelt es sich um ein nächtliches Aufschrecken aus dem Tiefschlaf, meist in der ersten Nachthälfte. Die betroffene Person ist nicht richtig wach und kann sich meist nicht an einen Traum erinnern, sondern meist nur einzelne bedrohliche Bilder – Decke stürzt ein, Wohnung brennt. Wenn die Person sich beruhigt oder beruhigt wird und dann weiterschläft, ist die Erinnerung an die Vorfälle häufig komplett aus dem Gedächtnis verschwunden. Das Aufschrecken, das nicht selten mit einem lauten Schrei beginnt, kann auch von Schlafwandeln begleitet sein, wie beispielsweise das Fliehen aus der Wohnung. Innerhalb der Alpträume werden noch idiopathische und posttraumatische Alpträume unterschieden. Während die idiopathischen Alpträume ganz mannigfaltige Themen umfassen können, wird beim posttraumatischen Alptraum ein erlebtes Trauma – Missbrauch, Krieg, Naturkatastrophe – mehr oder weniger so wiederholt, wie es im Wachzustand erlebt wurde. Allerdings muss beachtet werden, dass auch bei Personen mit posttraumatischer Belastungsstörung nicht alle Alpträume das Trauma widerspiegeln. Auch diese Gruppe hat idiopathische Alpträume.
WAS IST EINE ALPTRAUMSTÖRUNG?
In großen Umfragen geben fast alle Erwachsenen an, in ihrer Kindheit oder Jugendzeit ab und an Alpträume erlebt zu haben, so dass sich die Frage stellt, wann Alpträume eine Belastung darstellen. Wenn Alpträume häufig auftreten – Faustformel einmal pro Woche oder häufiger – und die Person bezüglich Schlaf und Wachleben deutlich beeinträchtigen, kann eine Alptraumstörung (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, ICD10: F51.5) diagnostiziert werden. Häufig angegebene Beeinträchtigungen sind schlechter Schlaf (auch in Nächten ohne Alpträume), Angst vor dem Einschlafen (es könnte wieder ein böser Alptraum kommen), Gedanken an die Alpträume am Tage, Angst, dass etwas nicht stimmt, Beeinträchtigung der Konzentration.
WIE HÄUFIG IST DIE ALPSTÖRUNG?
Bei circa fünf Prozent der Kinder treten Alpträume mit einer Häufigkeit von einmal pro Woche oder öfter auf. Mädchen scheinen etwas häufiger gelegentliche Alpträume zu haben, während bei der Häufigkeit der Alptraumstörung im Kindesalter keine Geschlechtsunterschiede vorliegen, allerdings sprechen die Studien dafür, dass im Jugendalter Mädchen häufiger unter Alpträumen leiden als Jungen. Auch im Erwachsenenalter wird die Häufigkeit von Personen mit belastenden Alpträumen auf bis zu fünf Prozent geschätzt. Bei Patient:innen mit psychischen Erkrankungen (Depression, Angsterkrankungen) sind es sogar bis zu 30%, die neben der Grunderkrankung auch noch eine Alptraumstörung haben.
WIE ENTSTEHEN ALPTRÄUME?
Bei der Entstehung von Alpträumen geht man von einem Veranlagungs-Stress-Modell aus. So konnte in einer großen Zwillingsstudie gezeigt werden, dass häufige Alpträumen bei eineiigen Zwillingen häufiger zusammen auftreten als bei zweieigen Zwillingen. Ein Veranlagungsfaktor wurde als „dünne Grenzen“ bezeichnet. Diese Menschen sind kreativ, empathisch, offen, sensibel und üben häufig ungewöhnliche Berufe aus, auf der anderen Seite können sie sich gegen Stress schlecht abgrenzen und leiden häufiger unter Alpträumen. Auch Personen mit einer Neigung zu Ängsten und depressiven Verstimmungen neigen zu vermehrten Alpträumen. Das aktuelle Stressniveau, beispielsweise beruflicher Stress, Beziehungsprobleme etc., hat einen großen Einfluss auf die Häufigkeit von Alpträumen, besonders bei Personen mit entsprechender Veranlagung. Hier kann schon „normaler“ Stress die Alptraumhäufigkeit erhöhen. Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Alpträumen sind Traumata. Darunter werden negative Erlebnisse verstanden, die die Verarbeitungskapazität der Person übersteigt, wie beispielsweise sexueller Missbrauch, körperliche Misshandlung, Kriegserlebnisse, Vergewaltigung. Bei einem Teil der Traumatisierten kommt es zur sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörung, bei der Alpträume häufig ein Leitsymptom (ca. 70% der Fälle) sind. Aber, es zeigt sich, dass auch ohne das Vollbild der Posttraumatischen Belastungsstörung, also leichter betroffene Personen, vermehrt Alpträume aufweisen (meist idiopathische Alpträume, die keinen direkten Bezug zu dem Traum haben).
In der Praxis ist es wichtig, zu beachten, dass es eine ganze Reihe von Medikamenten gibt, die Alpträume begünstigen können, dazu zählen manche Blutdruckmedikamente, aber auch Medikamente, die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden. Ein wichtiger Faktor, der bei chronisch auftretenden Alpträumen eine Rolle spielen kann, ist die Vermeidung. Aus der Therapie von Ängsten weiß man, dass die Vermeidung von Situationen, die Angst machen könnten, zur Aufrechterhaltung der Angst beiträgt; man entwickelt eine Angst vor der Angst. Auch bei Alpträumen versuchen viele Betroffene, die erlebte Angst im Traum zu vermeiden, in dem sie sich sagen „Das war nur ein Traum“ und versuchen, den Traum möglichst schnell zu vergessen. Heute weiß man, dass ein bewusstes Auseinandersetzen mit der Alptraumangst die wirksamste Form der Therapie ist. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entstehung von Alpträumen meist auf viele Faktoren zurückzuführen ist, die miteinander in Wechselwirkung stehen.