Pina Bausch

Choreographin

Pina Bausch wird 1940 als Tochter einer Gastwirtsfamilie in Solingen geboren und entdeckt früh ihre Liebe zum Tanz. Schon im Kinderballett wird ihr besonderes Talent bemerkt. 1955 beginnt sie an der Essener Folkwang-Hochschule unter Leitung von Kurt Jooss, einem Pionier der revolutionären deutschen Ausdruckstanzbewegung der 1920er und 1930er Jahre, eine professionelle Tanzausbildung, die sie 1959 abschließt. Später wird sie sagen, dass es vor allem zwei Dinge sind, die sie von Jooss gelernt hat: Ehrlichkeit und Genauigkeit - Ehrlichkeit im Umgang mit der Wirklichkeit und Genauigkeit im Ausarbeiten der Form. Für zwei Jahre geht sie nach ihrer Ausbildung nach New York: zunächst als Stipendiatin an der renommierten Juilliard School of Music, danach als Tänzerin beim New American Ballet und beim Ballett des Metropolitan Opera House. Auf Bitten von Jooss kehrt sie 1962 als Solistin an das neu gegründete Folkwang-Tanzstudio nach Essen zurück und erregt ab Ende der 1960er Jahre mit ersten eigenen Choreografien Aufmerksamkeit.

Auch der neu berufene Wuppertaler Intendant Arno Wüstenhöfer hört von der jungen Choreografin und engagiert sie zur Spielzeit 1973/74 als Tanzchefin an die Wuppertaler Bühnen. Im Gefolge der Studentenrevolte hat sich das neue Regietheater entwickelt. Wüstenhöfer will auch für den Tanz eine Erneuerung. Mehr Wirklichkeitsnähe soll er zeigen und sie in neuen Formen präsentieren. Pina Bausch ändert den Namen ihres Ensembles von Ballett in Tanztheater. Der Name ist Programm. Sie arbeitet mit Kombinationen von tänzerischen und theatralischen Mitteln, erprobt die verschiedensten Genres, nennt ihre Stücke Tanzoper, Revue, Operette. Ihre choreografische Sprache ist unmissverständlich, klar – und erregt die Gemüter. Die innovative Ästhetik, die sie gemeinsam mit ihrem Kostüm- und Bühnenbildner Rolf Borzik bis zu dessen Tod 1980 entwickelt, verstört und begeistert zugleich. Später setzt sie die Arbeit mit Peter Pabst (Bühne) und Marion Cito (Kostüme) fort und führt das Tanztheater zu Weltgeltung. Mit ihren Musikalischen Mitarbeitern Matthias Burkert und Andreas Eisenschneider findet sie immer wieder neue, ungewöhnliche Musiken für ihre Stückcollagen, die in poetischen Bildern und Tänzen von dem erzählen, was uns alle bewegt: wovor wir uns fürchten und wonach wir suchen. Immer wieder sind diese Stücke Versuche einer vorsichtigen Annäherung an die menschlichen Beweggründe. Umfangreich recherchiert sie während der Probenzeit, stellt ihren Tänzer:innen bis zu 1000 Fragen, um am Ende aus 40 bis 50 Antworten ihre Stücke zu komponieren. Auch mit dieser offenen Arbeitsweise schreibt sie Tanzgeschichte. Wie kein:e anderer Choreograf:in im 20. Jahrhundert hat Pina Bausch mit ihrem Werk dem Tanz neue Freiräume erschlossen und eine ganze Kunstform erwachsen gemacht.

(NORBERT SERVOS)