Così fan tutte

Nichts ist für die Ewigkeit. Und Menschen machen Fehler. Und doch ist Loslassen die schwerste Übung, wenn man zum ersten Mal vor Liebe brennt und sich nichts Anderes wünscht, als sie für immer festzuhalten. Doch kann man ewig so intensiv fühlen wie am Anfang? Così fan tutte in der Neuinszenierung von Benedict Andrews verhandelt überbordende Gefühle, von denen junge Liebe im Rausch der Hormone angetrieben wird. Manchmal streift sie dabei die Randzonen menschlicher Beziehungen, dort, wo man sich auf der Suche nach Intensität zu verlieren droht. Mozarts Oper von 1790 wäre bis heute nicht so bedeutend, wenn er nicht die Instabilität all dessen gleich mitverhandelte. So treffen die beiden jungen Paare, die meinen, die Essenz wahrer Liebe schon entdeckt zu haben, in Don Alfonso und Despina auf zwei erfahrene Gegenspieler. Ein Experiment beginnt, in dem die Männer durch ein Verkleidungsspiel die Treue ihrer Partnerinnen auf den Prüfstand stellen. Was bleibt, ist Ernüchterung. Und die Möglichkeit einer schmerzhaften Erkenntnis: Sicher sind nur die Freiheit und die Sehnsucht nach Vereinigung. Enttäuschung und Abstoßung sind Teil des Spiels – denn keine Liebe ist ideal.

In seinem ersten Akademiekonzert an der Bayerischen Staatsoper im Jahr 2020 kombinierte Vladimir Jurowski, damals designierter Generalmusikdirektor, Werke von Mozart und Bruckner. Nun dirigiert er mit Così fan tutte die erste Mozart-Oper als GMD. Für die Neuinszenierung arbeiten Vladimir Jurowski und der australische Theater- und Filmregisseur Benedict Andrews erstmals zusammen – es ist für Andrews zudem ein Hausdebüt. Er widmete sich zuletzt verstärkt seinen Filmprojekten: Seberg mit Kristen Stewart, der 2019 auf dem Filmfestival Venedig Premiere hatte, und zuvor Una mit Rooney Mara, der 2016 auf dem Telluride Film Festival gezeigt wurde. Als Hausregisseur der Sydney Theatre Company und später an der Schaubühne Berlin inszenierte Benedict Andrews vermehrt Neue Dramatik und britische Dramatik. Dort sowie am Young Vic in London arbeitete er bereits mit Bühnenbildnerin Magda Willi zusammen, u. a. für Blackbird von David Harrower, Endstation Sehnsucht und A streetcar named desire von Tennessee Williams, Gerettet von Edward Bond sowie mehrere Stücke von Marius von Mayenburg. Auch mit Kostümbildnerin Victoria Behr, die in der Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater mehrfach als Kostümbildnerin des Jahres ausgezeichnet wurde, verbindet ihn eine längere Zusammenarbeit für Häuser wie das Young Vic Theatre in London, die Königliche Oper in Kopenhagen, die Komische Oper Berlin, die Nationale Opera Amsterdam und die English National Opera

ERSTER AKT

Don Alfonso, zynisch veranlagter Philosophentyp der Aufklärungsepoche, fühlt sich den Offizieren Ferrando und Guilelmo überlegen: Sie preisen – für seinen Geschmack zu überschwänglich – die Schönheit, vor allem aber die Treue ihrer Geliebten, der Schwestern Dorabella und Fiordiligi. Alfonso ist grundsätzlich skeptisch, was die Treue betrifft. Deshalb schlägt er den heftig protestierenden Freunden eine Wette um hundert Zechinen vor: Innerhalb eines Tages soll die Treue der jungen Frauen auf die Probe gestellt werden. Ferrando und Guilelmo gehen auf den Handel ein. Sie versprechen, Alfonsos Anweisungen bedingungslos zu folgen. Bleiben ihre Partnerinnen standhaft, so sind die jungen Männer die Gewinner. Dorabella und Fiordiligi erwarten ihre Geliebten. An ihrer Stelle erscheint Alfonso mit der Hiobsbotschaft, die beiden Offiziere müssten unverzüglich in den Krieg ziehen. Mit großem, teils gespieltem Trennungsschmerz nehmen die Paare Abschied voneinander. Don Alfonso sichert sich die tätige Hilfe von Despina, der Bediensteten der beiden Schwestern. Sie soll Ferrando und Guilelmo, verkleidet als reiche Albaner, bei den Frauen einführen. Ginge es nach Despina, so sollten die Frauen von der Trennung profitieren, denn die Liebe diene dem Vergnügen – das allen zustehe, auch den Frauen. Die Fremden bestürmen unerkannt beide Schwestern mit frechen Anträgen – und werden entrüstet von diesen zurückgewiesen. Die Freunde wollen bereits triumphieren. Aber Alfonso erinnert sie an die Verabredung, deren Frist noch nicht abgelaufen ist. So gehen die Männer zum Angriff über und täuschen einen Selbstmordversuch aus unerwiderter Liebe vor. In den Frauen beginnt sich Mitleid zu regen. Despina, als Arzt verkleidet, erweckt die Scheintoten zu neuem Leben. Die bestürmen die Schwestern erneut. Daraufhin entfliehen die Frauen verwirrt.

PAUSE

ZWEITER AKT

Despina, mit Alfonso im besten Einvernehmen, wirbt bei ihren Damen für die fremden Liebhaber. Dorabella und Fiordiligi entschließen sich, nur zum Spaß auf einen Flirt einzugehen. Schneller als erwartet erliegt Dorabella dem Werben Guilelmos. Fiordiligi hingegen kämpft verzweifelt mit ihren Gefühlen. Die Freundschaft zwischen den jungen Männern erfährt einen ersten gefährlichen Riss, als Ferrando erfährt, dass seine Geliebte die Probe nicht bestanden hat. Fiordiligi beschließt – gleichsam um einem Treuebruch zuvorzukommen –, ihrem Verlobten ins Feld nachzureisen. Ferrando tritt ihr plötzlich nochmals entgegen, und sein tief empfundener Schmerz rührt an ihr Innerstes: Sie widersteht seinen Liebesschwüren nicht länger. Den enttäuschten Freunden hält der Sieger Don Alfonso seine zynische Lebensphilosophie entgegen: Così fan tutte – so machen es alle. Die Hochzeit der beiden neuen Paare wird eilends vorbereitet. Despina tritt, in neuer Verkleidung, als Notar auf. Mitten in die Trauungszeremonie platzen die aus dem Krieg zurückkehrenden alten Geliebten Ferrando und Guilelmo. Es gibt Enttäuschung und Vorwürfe gegen die Frauen auf Seiten der Männer, Schuldgefühle und Scham bei den Frauen. Alfonso deckt das von ihm angezettelte Spiel auf und ruft die nun „klügeren“ jungen Liebenden dazu auf, sich mit der Lage zufrieden zu geben.